Der Eiffelturm in Paris zählt zu den höchsten Bauwerken der Welt und ist das meistfotografierte Motiv in ganz Frankreich. Und wer scharf hinsieht, erkennt auf den Friesen der ersten Etage in goldenen Lettern die Namen großer Wissenschaftler. Einer von ihnen: der Physiker Gaspard Gustave de Coriolis (1792–1843), nach dem die Corioliskraft benannt wurde.
1.000 Kilometer nordöstlich von Paris, in Lauenburg an der Elbe, wird dem Naturwissenschaftler derzeit ein weiteres Denkmal errichtet. Ein schwimmendes, um genau zu sein, denn auf der Hitzler Werft entsteht gerade ein einzigartiges Forschungsschiff, das nach der Fertigstellung auf den Namen „Coriolis“ getauft werden soll. Auftraggeber ist das Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht.
Brennstoffzellen und Batterien
In der Konstruktionsphase lautete der Projektname allerdings noch „Ludwig Prandtl II“, denn der knapp 30 Meter lange Neubau soll das Forschungsschiff ersetzen, das nach einem bekannten Ingenieur benannt worden war. Es wurde Anfang der 80er Jahre im Auftrag des Geesthachter Helmholtz-Zentrums gebaut und mit zwei Dieselmotoren ausgestattet, die eine Leistung von jeweils 365 Kilowatt (kW) haben.
Die „Coriolis“ wird drei Dieselgeneratoren mit einer Leistung von jeweils 331 kW erhalten, um Strom für den dieselelektrischen Antrieb zu produzieren. Der Fokus der Forschung wird jedoch auf der Erprobung innovativer Speichermedien für Wasserstoff liegen. Denn das Schiff soll auch mit Wasserstoff fahren, der über eine Brennstoffzelle Strom für die Propeller und die Batterien liefert.
Innovative Speicher für den Wasserstoff
Auf dieses Feature sind die Hereon-Experten besonders stolz, denn die „Coriolis“ wird das weltweit erste Forschungsschiff mit vielfältigen Erprobungsmöglichkeiten für einen Wasserstoffantrieb sein. Das Konzept dafür entwickelten die Geesthachter gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Technolog in Hamburg und dem DLR Institut für Maritime Energiesysteme. Projektleiter Volker Dzaak: „Auch bei der Speicherung des Wasserstoffs setzen wir auf Innovation, denn das Schiff wird anstelle eines herkömmlichen Flüssig- oder Druckspeichers ein Tanksystem mit Metallhydrid-Technik haben. Derartige Speicher werden bereits in einigen U-Booten mit Brennstoffzellen-Antrieb eingesetzt.“
Der Vorteil von Metallhydrid-Tanks liegt vor allem darin, dass sie eine deutlich höhere Speicherdichte als Hochdrucktanks ermöglichen. Eine explosive Freisetzung im Fall einer Havarie ist ausgeschlossen, weil der Wasserstoff chemisch im Tank gebunden ist. Zudem kann das Gas bei relativ moderaten Betriebstemperaturen zwischen minus 30 und plus 50 Grad Celsius gespeichert werden und muss – anders als bei konventionellen Flüssigtanks – nicht auf minus 253 Grad abgekühlt werden.
Interdisziplinäre Spitzenforschung
Dass der Auftrag für den Bau des innovativen Schiffes an die mittelständische Hitzler Werft ging, war keineswegs selbstverständlich. Es gab im Vorfeld eine Ausschreibung, an der zahlreiche Anbieter aus dem In- und Ausland teilnahmen, aber am Ende überzeugten die Lauenburger mit ihrem Konzept.
„Wir sind wirklich stolz, dieses Schiff bauen zu können“, so Geschäftsführer Marek Klimenko, der den Familienbetrieb gemeinsam mit seinem Sohn Kai leitet. Der nickt: „Die ‚Coriolis‘ ist ein ganz besonderer Auftrag für uns, ein echtes Herzensprojekt mit Technik und Schiffbau aus Schleswig-Holstein. So ein Konzept ist einzigartig, weil es die Erforschung der Gewässer mit Ideen für eine grünere Schifffahrt verbindet.“
Ähnlich äußerte sich der wissenschaftliche Geschäftsführer am Helmholtz-Zentrum Hereon, Professor Matthias Rehahn, bei der Feier zum Stapelhub der „Coriolis“: „Das ist ein Meilenstein für die Wissenschaft und die Schifffahrt in Deutschland“, sagte er in seiner Ansprache. „Dieses Schiff ermöglicht an Bord interdisziplinäre Spitzenforschung und wird eine weltweit einzigartige Innovationsplattform sein, die der Umweltforschung und als Wegbereiter für eine umweltfreundlichere Schifffahrt dient.“
Die Messdaten des Schiffs sind live abrufbar
Das neue Schiff wird eine Länge von knapp 30 Metern und einen Tiefgang von lediglich 1,6 Meter haben. Damit ist es vielseitig einsetzbar und kann nicht nur die Nord- und Ostsee, sondern auch kleinere Flüsse befahren. Auf einer Fläche von 47 Quadratmetern vereint die „Coriolis“ unter anderem ein Nass- und Trockenlabor. Das Nasslabor verfügt über einen Hydrografenschacht sowie ein Reinst-Meerwassersystem zur Spurenanalytik. Darüber hinaus ist das Schiff mit hydroakustischen Systemen zur Strömungsmessung und einer FerryBox ausgestattet.
Projektleiter Volker Dzaak: „Eine FerryBox ist ein automatisiertes Messsystem zur Bestimmung physikalischer und biogeochemischer Variablen. Sie hat einen Wassereinlass, durch den Seewasser in einen Messkreislauf mit mehreren Sensoren gepumpt wird.“
Die FerryBox der „Coriolis“ kann online registriert werden und misst kontinuierlich biologische, chemische und physikalische Parameter wie Temperatur, Wassertrübung, pH-Wert, Sauerstoff- und Salzgehalt.
Dank eines innovativen Digitalisierungskonzepts können diese Daten in Echtzeit abgerufen werden. So sind sie für Forschungsstationen und andere Einrichtungen jederzeit live verfügbar. Dzaak: „Die gewonnenen Daten werden uns viele neue Erkenntnisse bescheren und einen wichtigen Beitrag für die Energiewende und die Erforschung des Klimawandels leisten.“
Die Gesamtkosten für das neue Schiff werden nach jetzigem Stand bei etwa 18 Millionen Euro liegen. Der größte Teil davon kommt vom Bund und den am Hereon beteiligten Ländern.
Einen weiteren Teilbetrag in Höhe von 560.000 Euro steuerte das Bundesministerium für Digitales und Verkehr (BMDV) bei. Er fließt in die Beschaffung, die Erprobung und den Transfer eines Wasserstoffsystemlabors für die Erzeugung von Bordstrom, mit dem die „Coriolis“ ausgestattet wird.
Eine Elbfähre mit Biomethan-Antrieb
Mit Ökologie hat übrigens auch der nächste Auftrag zu tun, den die Hitzler Werft kürzlich erhielt: Sie soll einen klimafreundlichen und zeitgemäßen Nachfolger für die Fähre „Amt Neuhaus“ liefern, die seit über 80 Jahren die Gemeinden Neu Bleckede und Bleckede verbindet.
Das neue Schiff erhält einen gaselektrischen Antrieb mit Biomethan – eine Innovation, die es so bei Fähren in Deutschland bisher nicht gibt. Auch hier gab es eine finanzielle Förderung vom Bundesverkehrsministerium, und zwar in Höhe von rund 670.000 Euro – das sind etwa 10 Prozent der Gesamtsumme für den Neubau, die bei 6,8 Millionen Euro liegt.
Eine Bunkerstation mit Solar- und Gründach
Die Hitzler Werft bekam den Auftrag nicht nur wegen ihrer Expertise im Bereich innovativer Antriebe, sondern auch, weil sie mit dem Fähren-Thema gut vertraut ist. Sie hat bereits mehrfach die Inspektion der „Amt Neuhaus“ durchgeführt und kennt daher die speziellen Verhältnisse auf dem betreffenden Flussabschnitt. Denn die Elbe ist bei Bleckede mit ihren Sandbänken und ihrer Strömung durchaus eine Herausforderung für die Fährschiffer, vor allem bei stärkeren Winden.
Ein ähnlich ungewöhnlicher Auftrag kam unlängst aus dem Hamburger Hafen. Hier sitzt das Unternehmen Hoyer Marine, das für die Versorgung von Schiffen mit Treib- und Schmierstoffen eine neue Bunkerstation benötigt. Die schwimmende Tank-Plattform wird eine Länge von 30 Metern haben und künftig an den Landungsbrücken unweit der „Cap San Diego“ liegen.
Und auch hier ist an die ökologischen Aspekte gedacht. Die Konstruktion wird von der Hitzler Werft so gestaltet, dass sie später mit Photovoltaik-Modulen ausgestattet werden kann. Eine Begrünung der Dachfläche ist ebenfalls angedacht.
Erfolgreiches Familienunternehmen an den Ufern der Elbe
- Im Jahr 1885 gab der Maschinenbauer Johann G. Hitzler (1848–1910) seinen Job als Obermeister in der Düneberger Pulverfabrik auf und gründete eine Werft in Lauenburg.
- Anfangs war sie als Reparaturbetrieb für Dampfschiffe tätig.
- Das erste eigene Schiff lieferte die Werft im Jahr 1886. Insgesamt wurden auf der Werft mehr als 800 Schiffe gebaut und Tausende von Reparaturen ausgeführt.
- Im März 2021 übernahm der langjährige Konstruktionschef Marek Klimenko die Werft gemeinsam mit seinem Sohn Kai vom damaligen Inhaber Franz Hitzler.
Aktueller Blick in norddeutsche Betriebe
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Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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