Der Himmel ist grau und verhangen an diesem Samstagvormittag, aber die hohen Hallen der Peene-Werft halten mit ihrem kräftigen Blau dagegen, gemeinsam mit der nahe gelegenen Peene-Klappbrücke, die ebenfalls ein blauer Anstrich ziert.

Die rund 35 Besucher, die sich heute am Haupttor der Werft eingefunden haben, sind jedoch nicht gekommen, um sich an der fröhlichen Farbgebung der Bauwerke zu erfreuen, sondern um Einblicke und Informationen über die beruflichen Perspektiven in dem Unternehmen zu bekommen. Denn die Jugendlichen sind, gemeinsam mit ihren Eltern, der Einladung zum „Tag der Ausbildung“ gefolgt, der heute auf dem Werftgelände stattfindet.

Großer Andrang im Ausbildungszentrum

Dort ist das mit großen weißen Lettern markierte Ausbildungszentrum schnell erreicht. Der Raum für theoretische Unterweisungen in dem 2006 errichteten Flachbau füllt sich rasch bis auf den letzten Platz. Vor jedem Teilnehmer liegt ein Helm auf dem Tisch, denn Sicherheit wird großgeschrieben auf der Werft. Für die Schüler der Klassenstufen acht bis zehn symbolisiert er ihre nahe Zukunft, den Wechsel von der Schul- in die Arbeitswelt.

In die letzte Reihe haben sich der 16-jährige Dennis Piel, seine Mutter Daniela Piel und Ziehvater Maik Kostmann gesetzt. Sie sind an diesem kühlen Januartag aus Lütow unweit von Zinnowitz auf der Insel Usedom angereist.

Der Tag der Ausbildung im Video

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Verwandte und Bekannte im Betrieb

Ein Bekannter auf der Werft habe sie auf die heutige Veranstaltung aufmerksam gemacht, erzählt Maik Kostmann, den ein familiärer Bezug mit dem 1948 gegründeten Betrieb verbindet: „Mein Opa war zu Ostzeiten einer der Direktoren der Peene-Werft.“

Mit Blick auf Dennis erwähnt er, dass der 16-Jährige daheim gerne mit anpacke, wenn Arbeiten am Haus oder am Carport anstünden. „Er hat eine Menge handwerkliches Geschick.“

Der Ausbildungsleiter ist seit 1979 dabei

Dennis nickt. Die Freude daran, „mit den eigenen Händen etwas zu schaffen, etwas herzustellen“, habe sich bei Praktika in einer Tischlerei und bei einem Heizungsbauer noch verstärkt, ergänzt er. Einen Berufsstart auf der Werft könne er sich auf jeden Fall vorstellen, auch weil „der Schiffbau in der Region eine spannende Geschichte ist und ich künftig gern ein Teil davon sein würde“.

Ausbildungsleiter Andreas Greger gefällt das. Der 61-jährige Wolgaster hat 1979 eine Lehre als Maschinen- und Anlagenmonteur begonnen und ist seitdem im Unternehmen. 1984 wechselte er in den Bereich Ausbildung, wo er bis dato schätzungsweise 1.500 junge Menschen auf der ersten Etappe ihres Berufswegs begleitet hat.

Aktive Nachwuchsarbeit

„Bis vor 20 Jahren war es üblich, dass gefühlt alle, die in Wolgast und Umgebung die Schule verließen und nicht zwei linke Hände hatten, zur Peene-Werft gingen“, erzählt er. Das habe sich stark geändert, da viele Schulabgänger heutzutage aus der Region abwandern.

„Um gegen den Trend zu steuern, gehen wir verstärkt auf die Jugendlichen zu“, sagt Personalreferentin Laura Heß. Sie nennt Berufsmessen, Jobbörsen und die Schulen als Begegnungsorte, wo sie die Werft als attraktiven Arbeitgeber bewirbt. 2023 dann wurde erstmals ein „Tag der Ausbildung“ organisiert. Das unmittelbare Erleben wirke noch mal anders als die bloße Erzählung.

Fachkräftemangel bleibt Herausforderung

Jahrelang nahm die Peene-Werft pro Jahr zehn junge Leute als Azubis unter Vertrag. 2023 wurde diese Zahl auf 20 verdoppelt, eine Reaktion auf den aktuellen Fachkräftemangel, der nicht nur dem Schiffbau zu schaffen macht.

Personalreferentin Heß hat ebenfalls auf der Werft gelernt und ein Betriebswirtschaft-Studium in Personal und Controlling absolviert. Sie sei ein „Mitarbeiterkind“, sagt die 31-Jährige nicht ohne Stolz. Der Vater und der Lebensgefährte arbeiten ebenfalls im Betrieb. Als 2020 die Tochter geboren wurde, schenkten ihr die Kollegen einen Baby-Body mit der Aufschrift „50 % Mama, 50 % Papa, 100 % Peene-Werft“.

Seit der Gründung 1948 mehrere Eignerwechsel

In seiner Einführung skizziert Ausbildungsleiter Greger den Besuchern die Historie der Werft. Sie war 1948 gegründet und in den vier DDR-Jahrzehnten zur Marinewerft ausgebaut worden. Nach der deutschen Wiedervereinigung entstanden hier neben den „grauen Schiffen“ unter anderem Containerfrachter sowie Arbeits-, Fischerei- und Spezialschiffe.

Auch die Eigentümerstruktur änderte sich mehrfach. Im Jahr 2013 übernahm schließlich die Bremer Unternehmensgruppe Lürssen die östlichste Seewerft Deutschlands. Seither ist die Produktpalette wieder fokussiert auf Marine- sowie Behördenschiffe und einen leistungsstarken Reparatursektor. Nach einer Neustrukturierung der Unternehmensgruppe Lürssen gehört die Peene-Werft nun zur NVL Group, die auf den Neubau und die Reparatur von Marineschiffen spezialisiert ist und weitere Standorte in Hamburg und Wilhelmshaven hat.

Zum Start gibt es für jeden Azubi ein iPad

„Wir sind derzeit gut ausgelastet und haben viel Arbeit“, bilanziert Ausbildungsleiter Andreas Greger und fügt hinzu: „Dafür brauchen wir Top-Fachleute und geeigneten Nachwuchs.“

Die Schüler und Eltern erfahren, dass in diesem Jahr 16 Ausbildungsplätze zu besetzen sind, und zwar in den Berufen Industrie-, Anlagen- und Konstruktionsmechaniker. Nach dreieinhalb Lehrjahren folgt dann eine befristete Anstellung, die nach einem Jahr bei persönlicher und fachlicher Eignung in eine unbefristete münden sollte. Zum Start gibt es für jeden Azubi ein iPad. Ein feiner Wink darauf, dass theoretische Lerninhalte häufiger digital vermittelt werden. Aktuell gibt es 42 Azubis auf der Werft.

Gang durch die Lehrwerkstatt

Dem Ausbildungsleiter folgen die Gäste anschließend dorthin, wo jede Ausbildungs-Vita auf der Peene-Werft ihren Anfang nimmt. In der Lehrwerkstatt erlernen die Fachkräfte in spe die Grundlagen der Metallbearbeitung. Vom Feilen, Bohren, Drehen bis zum Schweißen.

Der 20-jährige Felix Geiser findet aufmerksame Zuhörer, als er die Werkstücke präsentiert, die er angefertigt hat. Im September 2023 hatte er als Dualstudent seine Ausbildung begonnen. Bevor er ab nächsten September an der Hochschule Bremen Schiffbau und Meerestechnik studiert, absolviert er einen einjährigen Grundlehrgang als Konstruktionsmechaniker.

Spannende Einblicke in verschiedene Bereiche

Vor sechs Jahren war er mit den Eltern aus Baden-Württemberg nach Mecklenburg-Vorpommern in die Nähe des Plauer Sees gezogen. „In den Ferien habe ich öfters in einer Marina gejobbt, da ist eine gewisse Affinität zu Booten und Schiffen erwachsen“, begründet Felix seine Berufswahl. Sein Fernziel ist es, eines Tages als Schiffbauingenieur zu arbeiten.

Im letzten Abschnitt des heutigen Tages kommen die Arbeitsschutzhelme zum Einsatz. Fertigungsleiterin Jeannette Kanyár führt die Gäste in die Produktionshalle 1. Dort verantwortet sie den Bereich Ausrüstung und Rohrbau.

Fertigungsleiterin koordiniert 100 Fachkräfte

Facharbeiter Ray Spitz und Azubi Finn Schade, der sich im letzten Lehrhalbjahr befindet, demonstrieren, worauf es bei der Montage von Bauteilen und Aggregaten ankommt. Sie montieren eine Frischwasserpumpe auf ein Fundamentgestell samt Schaltkasten.

„Wichtig ist zu verstehen, wie das System Schiff funktioniert“, betont Jeannette Kanyár. Die Fertigungsleiterin koordiniert in ihrem Bereich die Arbeit von bis zu 100 Fachkräften.

Auch Ministerpräsidentin Schwesig war schon da

Beim Gang durch die Hallen passieren die Gäste auch den Neubausektor, wo das Vorschiff eines neuen Behördenschiffs aufragt bis fast zum Hallendach. Wenig später erläutert ihnen Jeannette Kanyár an einem komplexen Rohrkonstrukt, wie präzise im Rohrbau gearbeitet werden muss, um Leitungssysteme passgenau im Schiffskörper verbauen zu können.

Einen Zwischenstopp gibt es auch an einer Mikropaneele, wo Stahlplatten vollautomatisiert zugeschnitten werden. Hier erfolgte Ende 2023 im Beisein von Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig der Baustart für die erste Fregatte 126.

Vier neue Fregatten für die Deutsche Marine

Die Deutsche Marine hat vier Exemplare dieses Schiffs bestellt, das eine Länge von 166 Metern hat und in der Lage ist, Ziele in der Luft sowie über und unter Wasser zu bekämpfen. Ein Milliardenauftrag, der den 320 Beschäftigen der Peene-Werft in den nächsten Jahren höchste Qualitätsarbeit abverlangt.

Denn sie sollen die Hinterschiffe für die vier Fregatten bauen, die anschließend mit den von ihren Kollegen bei German Naval Yards in Kiel gefertigten Vorschiffen verbunden werden. Anschließend werden die Schiffe zum NVL-Standort Blohm+Voss nach Hamburg geschleppt, wo alle anderen Arbeiten stattfinden: die finale Ausrüstung, die Inbetriebnahme, die Erprobung und die Auslieferung sowie die Ausrüstung der Bordsysteme. Die Ablieferung des ersten Schiffs ist für 2028 geplant.