Jeder macht Fehler. Ob privat oder im Job, Shit happens – auch wenn man sich noch so bemüht, das zu vermeiden! Die Maschine um eine Winzigkeit falsch eingestellt, bei der E-Mail-Adresse vertippt oder den neuen Prozess falsch verstanden … schon ist der Schlamassel passiert.

Die beruhigende Nachricht: Fehler sind nicht nur schlecht! Sie können für ein Unternehmen sogar von Nutzen sein. Davon ist zum Beispiel Matthias Tegeler von der Unternehmensgruppe Fischer überzeugt. Eine gute Fehlerkultur – „das ist nicht nur ein wesentlicher Grundstein für erfolgreiche Teamarbeit“, sagt er, „sondern auch die Basis für eine kontinuierliche Weiterentwicklung der übergeordneten Organisationsstrukturen“. Heißt: Wenn einer von Hunderten Mitarbeitern irgendwo in der Produktion etwas falsch macht, kann das letztendlich das ganze Unternehmen voranbringen.

Woher Tegeler das weiß? Er ist Senior Consultant im Bereich Lean Management bei Fischer Consulting. Das ist eine Unternehmensberatung, die aus der (vor allem für ihre Dübel berühmten) Fischer Unternehmensgruppe im Schwarzwald entstanden ist. Mit entsprechend großem Erfahrungsschatz berät Fischer Consulting Hersteller von Maschinen, Industrie- und Baugütern weltweit. Tegeler erklärt Kunden zum Beispiel, worauf es ankommt, wenn mal was schiefläuft. Ein wichtiger Punkt: „Man darf Fehler nicht als Makel betrachten, sondern als Lehrmeister.“ Dann entstehe eine Innovationskultur, in der mutige Ideen höher bewertet werden als mögliche Rückschläge. Das funktioniere aber nur, wenn mit gemeldeten Fehlern respektvoll umgegangen werde.

„Wichtig ist auch, dass man bei der Aufarbeitung von Fehlern gemeinsam und systematisch vorgeht“, sagt Tegeler. Ziel sollte sein, nicht nur die unmittelbare Ursache des Fehlers zu beheben. Sondern daraus auch Erfahrungen für künftige Herausforderungen abzuleiten.

Jeder zweite Fertigungsmitarbeiter scheut sich, Fehler zuzugeben

Und in diesem Bereich schlummert für viele Unternehmen noch ein großes Potenzial. Das betonen Forscher wie Professor Sebastian Fischer von der Hochschule Hamm-Lippstadt. Er ist Arbeitspsychologe und Mitorganisator der Studie „Fehlerkultur Report“ der Beratungsgesellschaft EY. Und sagt: „Fehler sind in unserem Leben allgegenwärtig. Deshalb ist es so wichtig, die Frage zu beantworten: Wie gehen wir eigentlich mit Fehlern im Arbeitsleben um?“

Oft nicht so, wie wir es sollten! Die Studie zeigt: 55 Prozent der befragten Mitarbeiter aus der Fertigung gaben an, Fehler gar nicht oder nur teilweise anzusprechen oder zuzugeben. Hauptgrund: Sie haben Angst vor Job- oder Gesichtsverlust.

Die Ergebnisse der Studie, an der 1.000 Beschäftigte aus den Branchen Automobil- und Maschinenbau, Transport und Logistik sowie Banken und Versicherungen teilnahmen, haben Führungskräfte und Personalverantwortliche hellhörig gemacht. „Nach der Veröffentlichung erreichten uns viele Anfragen“, sagt Professor Fischer. „Wichtigster Punkt: Was machen wir jetzt mit dem Befund, was können wir ändern?“

Ansätze gibt es viele, agile Arbeitsmethoden wie der New-Work-Ansatz sind nur ein Beispiel. Diesen praktiziert etwa der Brandschutzspezialist Hekatron im baden-württembergischen Sulzburg. Dort treffen Teams zusammen Entscheidungen, auch in der Produktion. „Von oben wird also weniger vorgegeben, die Teams und der Einzelne übernehmen mehr Verantwortung“, sagt Theresa Köbelin, die das Thema New Work bei Hekatron führt.

Weitere Instrumente, die laut der EY-Studie bei Beschäftigten auf Interesse stoßen, sind unter anderem „Fuck-up-Nights“, bei denen frei über Fehlschläge und die Folgen berichtet wird. Egal, welchen Ansatz ein Betrieb für sich wählt – eine Grundbedingung hält Forscher Fischer für immens wichtig: „Kommunikation. Mitarbeiter müssen über Fehler reden dürfen und auch können“, fordert er.

Gute Fehlerkultur gibt Freiräume bei Beseitigung von Fehlern

Der Experte plädiert dafür, Mitarbeitern die Möglichkeit zu geben, schon kleine Fehler früh anzusprechen: „Gerade jene, die nah an der Produktion sind, stellen sich oft als wertvolle Hinweisgeber heraus.“ Das zu nutzen, sei wichtig, um sogenannte Fehlerkaskaden zu vermeiden. „Dafür braucht es Freiräume“ – ein regelmäßiges Meeting nach Schichtende reiche oft schon. Am besten ergänzt durch die Ansage der Führungskräfte, dass ein offener Umgang mit Fehlern positiv gesehen wird. Wenn dann der Fehler offengelegt wird, beginnt die eigentliche Aufarbeitung. Emotionen und Schuldzuweisungen haben dabei nichts zu suchen.

Unternehmen mit einer guten Fehlerkultur sind innovativer und flexibler, „passen sich schneller an veränderte Marktbedingungen an“, weiß Fischer. Und was bringt’s den Mitarbeitern? Die Antwort aus der Studie: Mehr als zwei Drittel der Befragten sehen positive Folgen aus Fehlern, die sie in den letzten zwei Jahren gemacht haben.

  • 70 Prozent der Beschäftigten bemerken positive Folgen aus Fehlern, die sie in den letzten zwei Jahren gemacht haben
  • 63 Prozent der Mitarbeiter sehen das Eingestehen eigener Fehler als sinnvoll für eine positive Fehlerkultur im Betrieb an

Quelle: EY Fehlerkultur Report 2023