Die besorgniserregende Lage in weiten Teilen der norddeutschen Metall- und Elektro-Industrie (M+E) dürfte vorerst anhalten. Eine Besserung der Verhältnisse ist derzeit nicht zu erwarten. Das ist in Kurzform das Ergebnis der jüngsten Konjunkturumfrage von Nordmetall, dem Allgemeinen Verband der Wirtschaft Norddeutschlands (AGV Nord) und dem Arbeitgeberverband Oldenburg.
„Statt einer Erholung nach der Pandemie erleben wir momentan eine Verschärfung der Long-Covid-Folgen in den Betrieben durch den Ukraine-Krieg“, bilanziert Nordmetall-Präsident Folkmar Ukena. Der Unternehmer ist geschäftsführender Gesellschafter der Leda-Werke in Leer und beschäftigt dort rund 180 Mitarbeiter.
Hohe Ausfälle durch die Corona-Krise
23 Prozent der Unternehmen in Norddeutschland bezeichnen ihre Geschäftslage als unbefriedigend oder schlecht, 8 Prozent mehr als in der letzten Konjunkturumfrage vom vergangenen Winter. 31 Prozent der Unternehmen im Norden mussten ihre Produktion infolge der Corona-Krise stark oder sehr stark einschränken, ein Plus von 8 Prozent.
„Die starke Verbreitung des Corona-Virus hat zu erhöhten Krankheitsständen geführt“, so Ukena. Eine Rückkehr zur Normalität erwarten 34 Prozent der Firmen bis zur Jahresmitte, 22 Prozent bis zum Jahresende, während 44 Prozent angesichts der unsicheren Gesamtlage keine Prognose wagen.
Explodierende Energiekosten
Bei der Einschätzung der als erschwerend eingestuften Wirtschaftsfaktoren hat sich seit Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine in den Geschäftsführungen ein wesentlicher Wandel vollzogen: 90 Prozent der Unternehmen (zuletzt: 81 Prozent) leiden unter stark gestiegenen Materialkosten, 82 Prozent unter den explodierenden Energiekosten (zuletzt: 53 Prozent).
Obwohl immer noch 11 Prozent der norddeutschen M+E-Betriebe Kurzarbeit fahren, planen 41 Prozent, die Zahl ihre Mitarbeiter in den nächsten drei Monaten zu erhöhen, was sich auf rund 3.200 zusätzliche Beschäftigte in Norddeutschland summieren dürfte. Allerdings beklagen mittlerweile 73 Prozent der Unternehmen die mangelnde Verfügbarkeit geeigneter Fachkräfte und 63 Prozent qualifizierter Azubis.
Das Bildungswesen braucht Reformen
Ukena: „Der Mangel an Azubis und Fachkräften verschärft sich zum Notstand: Den Unternehmen fehlen an allen Ecken und Enden die Menschen, um gute Auftragsbestände abzuarbeiten und eine starke Kapazitätsauslastung in hervorragende Umsätze zu verwandeln.“
Rund 60 Prozent der befragten Betriebe beschäftigen mittlerweile außereuropäische Fachkräfte, was den eklatanten Mangel an qualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sowie Auszubildenden jedoch kaum lindert.
Daher fordert der Verbandspräsident ein Umdenken im Bildungswesen. „Die Berufsorientierung in Schulen muss nach dem weitgehenden Ausfall während der Pandemie dringend gestärkt werden“, so Ukena. „Gleiches gilt für den Stellenwert der dualen Ausbildung.“
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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