Der Auftakt der Tarifrunde 2016 liegt hinter uns. Auch hier im Norden hat die IG Metall versucht, den Arbeitgebern ihre 5-Prozent-Forderung zu erläutern. Die Argumentation blieb allerdings dürftig – die Gewerkschaft weiß, dass sich nach ihrer eigenen Formel (Inflationsrate plus Produktivitätszuwachs) bestenfalls eine Forderung um und bei 1 Prozent rechtfertigen lässt.
Deshalb hat sie zur Begründung auf die gute allgemeine Lage verwiesen. Richtig ist: Es geht vielen Menschen gut in Deutschland: Die Beschäftigung ist hoch, der Spritpreis niedrig, der Konsum brummt. Falsch aber wäre es, daraus abzuleiten, dass es auch unserer Branche, der Metall- und Elektro-Industrie (M+E), gut geht.
Denn die Bürger kaufen keine maritimen Kräne, Werkzeugmaschinen oder Spezialkabel. Die deutsche M+E-Industrie ist auf die globale Nachfrage angewiesen. Und die nimmt deutlich ab: Aus China, Russland oder dem Nahen Osten kommen weniger Bestellungen. Die Krisenherde und Konjunkturrisiken lassen Investoren weltweit ihre Aufträge zurückhalten.
Das bleibt nicht ohne Folgen. War die M+E-Industrie früher eine Konjunktur-Lokomotive, so ist sie aktuell das Schlusslicht: Ihr Wachstum bleibt weit hinter der Gesamtwirtschaft zurück. Und selbst dieses kleine Plus ist geliehen: Ohne den schwachen Euro würde daraus ein Minus.
Weil der Export schwächelt, kommen die Einschläge in vielen Betrieben näher; Stellenabbau und Kurzarbeit sind kein Tabu mehr. Wenn die Tarifparteien im Norden Arbeitsplätze sichern wollen, müssen sie das im Auge behalten – und den Anstieg der Arbeitskosten bremsen: In Polen kostet eine Arbeitsstunde in der Metallbranche 7,20 Euro, in Deutschland 37 Euro.
Dieses Lohngefälle ist der Hauptgrund, weshalb viele Betriebe vor allem in ausländische Standorte investieren. Die Entgelte sind auch die einzige Stellschraube, die die Tarifparteien direkt beeinflussen können. Sie haben deshalb eine besondere Verantwortung, einen vernünftigen Kompromiss zu finden. Die Chancen dafür stehen nicht schlecht: Bei Mini-Inflation bedeutet auch eine maßvolle Tariferhöhung ein ordentliches Reallohnplus.