Schon mal vom „Blue-Seven-Phänomen“ gehört? Der Begriff stammt aus der Verhaltensforschung. Er kombiniert die Bevorzugung der Sieben in einer Zahlenreihe von eins bis neun sowie die der Farbe Blau durch die meisten Menschen.

Dass die IG Metall nun mit einer Forderung von plus 7 Prozent in die Tarifrunde 2024 geht, hat vermutlich wenig mit menschlichen Verhaltensmustern zu tun, wohl aber mit dem Versuch eines Spagats: einerseits keine unverantwortlichen Maximalerhöhungen im zweistelligen Prozentbereich zu fordern, wie in anderen Branchen geschehen, andererseits aber den Beschäftigten ein kräftiges Lohnplus in Aussicht zu stellen.

Der Verlagerungstrend muss gestoppt werden

Verständlich, doch die Lage der Wirtschaft lässt wenig Spielraum. Die heimische Konjunktur lahmt, vor allem wegen schlechter wirtschaftspolitischer Rahmenbedingungen. Im ersten Halbjahr 2024 meldeten knapp 30 Prozent mehr Unternehmen Insolvenz an als im Vorjahreszeitraum – der höchste Stand seit 2016. Die Herausforderungen durch Demografie und Transformation kommen hinzu. Und Besserung ist nicht in Sicht.

Aus unseren Umfragen wissen wir: Jedes fünfte norddeutsche M+E-Unternehmen denkt schon über Verlagerungen ins Ausland nach. Und das nicht nur, aber auch wegen der im internationalen Vergleich hohen Arbeitskosten. Diese Stellschraube können wir als Tarifparteien selbst gestalten – und das sollten wir so tun, dass der Verlagerungstrend nicht noch weiter befeuert wird.

Kein Nachholbedarf bei der Entgeltentwicklung

Dank verantwortungsvoller Abschlüsse ist es den Tarifpartnern gemeinsam gelungen, die Einkommen auch in schwierigen Zeiten zu stabilisieren. Für 2023 und 2024 sieht daher auch die IG Metall keinen Nachholbedarf bei der Entgeltentwicklung.

Die gleiche Verantwortung gilt es nun auch für die Tarifrunde 2024 an den Tag zu legen. Denn während die Inflation sinkt, bleiben die Belastungen der Wirtschaft hoch. So ernst man den Ruf nach einer „sozialen Komponente“ für Menschen mit geringem Lohn nehmen muss: Die sozialste Komponente für diese Personengruppe ist es, wenn ihre Arbeitsplätze erhalten bleiben.

Im Ergebnis muss die neue Tarifrunde daher den Standort insgesamt stärken – damit Arbeit und Wohlstand für alle in Norddeutschland erhalten bleiben und sich das „Blue-Seven-Phänomen“ nicht in ein „Red-Zero-Szenario“ verkehrt.

Nico Fickinger ist Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord, die aktiv im Norden möglich machen. Diskutieren Sie mit ihm: nordwort@aktivimnorden.de

Podcast-Tipp

Hier geht es zu den Podcasts von Nordmetall: nordmetall.de/standpunkte-politik-podcasts