Oft sind es Zufälle, die zu den besten Ergebnissen führen. Wie kürzlich im niedersächsischen Saterland: Als der Mittelständler Hansa Klimasysteme aus Strücklingen, einer Gemeinde im Landkreis Cloppenburg, sein öffentlich gefördertes Forschungsprojekt zur KI-basierten Regelung von Lüftungsanlagen in Schwimmbädern startete, war das nahe gelegene Freizeitbad Saterland gerade auf der Suche nach einem Anbieter für eine neue Lüftung. Man setzte sich zusammen und kam schnell zum Entschluss, das Hallenbad mit der Technologie auszurüsten.

„Schwimmbäder sind sehr energieintensiv“, sagt Matthias Lamping, Geschäftsleiter von Hansa Klimasysteme. „Das Wasser muss erwärmt werden und die Raumluft eine bestimmte Temperatur erreichen. Zudem muss die Luftfeuchtigkeit niedrig gehalten werden, damit Schäden am Gebäude, beispielsweise durch Schimmel, gar nicht erst auftreten“, sagt der Ingenieur. Keine leichte Aufgabe, denn bei Wassertemperaturen um 30 Grad Celsius verdunsten je Quadratmeter Wasserfläche ungefähr 0,4 Liter Flüssigkeit pro Stunde.

Rund 12.000 Kubikmeter Luft pro Stunde

Deshalb muss die Lüftungsanlage Schwerstarbeit verrichten und pro Stunde rund 12.000 Kubikmeter Luft umwälzen. „Konventionelle Anlagen können das zwar ganz gut, wir waren aber der Meinung, dass hier noch große Energiesparpotenziale stecken“, sagt Lamping.

Mit dem Konzept von Siemens lässt sich der Energieverbrauch von Hallenbäder um bis zu 20 Prozent senken.

Gemeinsam mit der Hochschule Emden startete der Betrieb mit 170 Mitarbeitern deshalb Ende 2017 sein Forschungsprojekt und konnte mit dem Freizeitbad Saterland nicht nur einen weiteren Partner gewinnen, sondern die Forschung auch gleich in die Praxis umsetzen.

Jede Menge Daten gesammelt

Ein Jahr lang sammelten Hansa-Projektleiter Christian Seitz und Hossein Rezazadeh, damaliger Mitarbeiter der Hochschule Emden und heutiger Hansa-Mitarbeiter, alle möglichen Daten aus dem Schwimmbad. Neben Werten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Energieverbrauch lieferten die in und außerhalb der Halle eingebauten Sensoren Infos zu Wetterbedingungen und Klima sowie der Anzahl der Besucher im Schwimmbad. Parallel dazu wurden auf sogenannten neuronalen Netzen basierende Modelle mit diesen Daten gefüttert.

Die Algorithmen bildeten die Grundlage eines selbstlernenden Modells, das erkennt, welche Maßnahme bei welchen Bedingungen am besten geeignet ist, um die angestrebten Umweltbedingungen in der Halle bei möglichst hoher Energieeffizienz zu erreichen.

Ein „digitaler Zwilling“ steuert die Abläufe

So entstand ein Softwaremodell, das die realen Bedingungen des Schwimmbads detailgetreu abbildet und zudem vorausschauend arbeiten kann. Dieser „digitale Zwilling“ sowie erste Praxistests brachten bereits erhebliche Einsparungen.

Um die dabei anfallenden Datenmengen und das KI-Modell dezentral rechnen, sicher verarbeiten und dabei zentral verwalten zu können, brauchten die Entwickler von Hochschule und Hansa Klimasysteme einen weiteren Partner. Dieser wurde mit Siemens gefunden.

Rund 20 Prozent der ursprünglichen Energie gespart

Der Konzern bietet Edge-Computing-Systeme an, die zwar lokal arbeiten, aber über eine sichere Datenverbindung aus der Ferne gemanagt werden können. Mithilfe der ebenfalls von Siemens gestellten „Simatic Live Twin“-App wird das Simulationsmodell mit der KI-Regelung eingespielt und ermöglicht so passgenaue Voraussagen über das Lüftungssystem.

„Das Ergebnis ist sehr erfreulich“, sagt Schwimmmeister Jörg Schlösser. „Wo früher die Steuerung der Lüftungsanlage lediglich auf Ereignisse reagiert hat – steigende Besucherzahlen, höhere Luftfeuchtigkeit – ist nun eine vorausschauende Regelung möglich, bevor die Ereignisse überhaupt eintreten. So wird stets der energieeffiziente Betriebszustand eingestellt.“ Damit spart das Schwimmbad laut eigener Messungen im Mittel rund 20 Prozent der ursprünglichen Energie.

Fernwartung und Updates ohne Probleme möglich

„Das Industrial-Edge-Gerät von Siemens lässt sich nicht nur mit wenig Aufwand in Bestandsanlagen einbauen, sondern ermöglicht auch via Internetverbindung das Erneuern der Software durch Updates und die Fernwartung der Anlage“, ergänzt Siemens-Sprecher Lars Kläschen.

„Einmal standen bereits die Handwerker vor der Tür, als ich die Schwimmhalle aufgeschlossen habe“, sagt Schwimmmeister Jörg Schlösser. Des Rätsels Lösung: Die Anlage hatte sich selbstständig gemeldet und einen Defekt angezeigt.

Energieeffizienz schont Ressourcen

Inzwischen ist das System außer in Saterland noch in der Gemeinde Barßel sowie in Bädern in Bad Zwischenahn und Steinfeld im Einsatz und erspart den Betreibern jede Menge Energieaufwendungen.

Doch nicht nur Hallenbäder können von der intelligenten Lösung profitieren. Die Entwickler denken bereits weiter: „Man könnte zum Beispiel die Pharma- oder die Nahrungsmittel- und Getränke-Industrie mit solchen Lösungen versorgen“, sagt Kläschen.

3.000 Hallenbäder in Deutschland

Dann könnte es vielen anderen Industriebetrieben bald so gehen wie dem Freizeitbad Saterland: Anhand von Livedaten würden sie eine intelligente, energieeffiziente und somit ressourcenschonende Klimaregelung in die Praxis umsetzen.

Das Potenzial für die intelligente Klimalösung aus Saterland ist angesichts der gestiegenen Energiepreise riesengroß: Neben den rund 3.000 Hallenbädern in Deutschland könnten zahlreiche Industriebetriebe von der KI-Lösung profitieren.

Aktueller Blick in norddeutsche Betriebe

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Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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