Die besten Geschäftsideen sind oft die, die durch Zufall entstehen. So wie bei Firmengründer Paul Nofer, der Anfang Oktober 1920 im heutigen Brunsbüttel einen Elektroinstallationsbetrieb eröffnet hatte. Als er einige Jahre später mit der Herstellung verschließbarer Blechtrommeln begann, fielen dabei jede Menge Blechreste an. Die waren zum Wegwerfen eigentlich zu schade, und so kam Nofer auf die Idee, daraus Verschlüsse für Einmachgläser zu machen – kein Wunder, der Mann war gebürtiger Schwabe.
1937 zeigte er sein neues Produkt auf der Leipziger Messe und stellte fest: Das Konzept kommt an, die Nachfrage ist da. Also fuhr er im Folgejahr noch mal in die sächsische Messestadt und präsentierte dort ein überarbeitetes Modell.
Bis heute ein Familienbetrieb geblieben
Einfallsreich war er auch beim Namen: Das Blechprodukt kam unter der Bezeichnung „Pano-Fix-Verschluss“ auf den Markt, ein Verweis auf die Anfangsbuchstaben des stolzen Erfinders, der seine Kreation Ende 1950 zum Patent anmeldete.
Zu erfahren ist all das im Heimatmuseum Brunsbüttel – oder auch in Itzehoe, wo die Pano Verschluss GmbH heute ihren Firmensitz hat. Der Standort wurde gewechselt, aber Pano ist immer noch ein Familienbetrieb – eingetragene Geschäftsführer sind die Gründertochter Liselotte Eberhardt, ihr Sohn Wulf Eberhardt und der Betriebswirt und Druckermeister Thomas Stock.
Corona hat den Absatz um 10 Prozent beflügelt
Wulf Eberhardt hatte 2020 gleich zwei Gründe zum Feiern: Pano wurde 100 Jahre alt und er selbst 70. Doch das Alter ist dem Gründerenkel nicht anzumerken, wenn er über sein Unternehmen und die aktuelle Situation spricht.
„Derzeit leiden viele Betriebe unter der Corona-Krise“, so Eberhardt. „Auch wir haben zahlreiche Vorkehrungen getroffen, um Infektionen in der Firma zu vermeiden, bisher erfolgreich. Grundsätzlich jedoch hat Corona unseren Absatz um 10 Prozent beflügelt, weil viele Menschen nun verstärkt in der eigenen Küche kochen. Und dafür müssen sie einkaufen, unter anderem Lebensmittel in Gläsern.“
Ein dünner blauer Ring als Markenzeichen
Die sind in der Regel mit einem Schraubdeckel verschlossen oder – wie die Fachleute sagen – einem Nockendrehverschluss. Der Geschäftsführer zeigt auf ein langes Regal an der Wand des Konferenzraums. Dort stehen etliche Gläser mit Gurken, Obst und Gemüse, alle mit einem Pano-Deckel in verschiedenen Größen, Farben und Designs. Viele davon kennt man aus dem Einkauf in Deutschlands großen Supermärkten.
Eine beeindruckende Sammlung, aber besonders stolz ist Eberhardt auf ein Produkt, das – ein weiteres Jubiläum – vor zehn Jahren in den Markt eingeführt wurde. Auf den ersten Blick ein simpler Blechdeckel, doch auf der Innenseite fällt ein ungewöhnliches Detail auf: ein dünner blauer Ring, der offensichtlich aus einem speziellen Kunststoff besteht. Auf einem Prospekt daneben ist der Markenname „Blueseal“ zu lesen.
International Maßstäbe gesetzt
Eberhard: „Das ist ein PVC-freier Verschluss, eine Innovation aus unserem Haus, mit der wir international Maßstäbe gesetzt haben. Mit Blueseal hat Pano den weltweit ersten Nockendrehverschluss entwickelt, dessen Dichtung ganz ohne PVC und Weichmacher auskommt.“
Ermöglicht wird dies durch die Verwendung thermoplastischer Elastomere, die bereits eine innere Weichmachung besitzen und schon länger in der Herstellung von Kronkorken genutzt werden.
Über 20 Milliarden Verschlüsse pro Jahr in Europa
Beim Gang durch die Fertigungshallen erklärt der Geschäftsführer, was es damit auf sich hat. „PVC-haltige Dichtungen waren lange der Standard für Deckelhersteller. Aus gesundheitlicher Sicht sind sie jedoch kritisch, wie man heute weiß, denn sie enthalten Weichmacher. Und die können sich lösen und in die Lebensmittel übergehen.“
Bei kleinen Mengen kein Problem, aber die Mengen sind alles andere als klein. In Europa werden jährlich über 20 Milliarden Verschlüsse für Konservengläser produziert, da kamen im Lauf der Zeit einige Tausend Tonnen PVC zusammen.
Weniger Energiebedarf, weniger CO2-Ausstoß
Nachdem man das erkannt hatte, wurden die Grenzwerte Schritt für Schritt verschärft. Auch das Qualitätsbewusstsein der Kunden veränderte sich; sie wollen Nahrungsmittel, die möglichst unbelastet sind. Daher haben die meisten Handelsgesellschaften ihre Lieferanten mittlerweile dazu verpflichtet, auf Verschlüsse ohne PVC umzustellen.
Das ist auch gut für die Umwelt, denn der Blueseal-Deckel braucht keine gasbeheizten Trockenöfen mehr und 70 Prozent weniger Energie beim Herstellen, daher fallen im Prozess auch 40 Prozent weniger CO2 an.
Blueseal-Deckel lassen sich leichter aufdrehen
Die PVC-freie Dichtung hat aber noch einen weiteren Nebeneffekt, wie Mitarbeiter Thomas Heyde im Labor demonstriert. Der staatlich geprüfte Konserventechniker arbeitet seit 1986 bei Pano und war an der Entwicklung verschiedener Innovationen beteiligt.
Pano hat im Jahr 2020 rund 730 Millionen Deckel und Dosen produziert und etwa 35 Millionen Euro Umsatz gemacht
Heute überprüft er mit einem Spezialgerät, wie leicht sich ein Gurkenglas mit Blueseal-Deckel aufdrehen lässt. Und tatsächlich, die Daten zeigen: Im Vergleich mit herkömmlichen Verschlüssen braucht man hier etwas weniger Kraft.
Erst drucken, dann stanzen, dann pressen
„Nicht unwichtig“, sagt Heyde. „Wer schon mal ein Glas auf dem Küchentisch hatte, das sich nicht öffnen ließ, kennt das Problem. Herkömmliche Verschlüsse sitzen durch den Unterdruck und die Haftwirkung der Dichtung oft so fest, dass man Bärenkräfte braucht.“
In der Halle nebenan ist zu sehen, wie die Deckel produziert werden. Es gibt mehrere Fertigungslinien, die alle nach dem gleichen Prinzip arbeiten: Auf Paletten wird das Rohmaterial angeliefert, große Platten aus Weißblech, die zunächst bedruckt werden. Danach wandern die Blechtafeln in eine Stanze, die im Sekundentakt kreisrunde Rohlinge auswirft, und anschließend geht’s in die Presse, die den Verschlüssen ihren Rand mitsamt Nocken verpasst.
Große Blechdruckmaschinen
Das Bedrucken der Bleche geschieht in riesigen Maschinen, die eine Länge von über zehn Metern haben. Hier mussten die Tafeln bislang meist mehrfach durchgeschickt werden, weil Pano ein Zwei-Farben-Modell im Einsatz hatte.
Eberhardt: „Das machte die Sache oft kompliziert, zum Beispiel dann, wenn der Kunde eine Lackierung mit insgesamt sechs Farben wollte. Dann mussten die Bleche dreimal durch die Maschine und nach jedem Durchgang mit hohem Energieaufwand getrocknet werden.“
Bunte Bonbondosen sind das zweite Standbein
Das geht künftig deutlich schneller, denn Pano hat investiert und eine hochmoderne Vier-Farben-Maschine bestellt. Die produziert mit weniger Arbeitsschritten qualitativ bessere Ergebnisse und macht eine Zwischentrocknung überflüssig. Die Kosten für die neue Maschine lagen bei rund 3,5 Millionen Euro, aber die Ausgabe lohnt sich, denn damit wird der Energieverbrauch drastisch reduziert.
In einem anderen Teil der Halle stehen große Behälter mit Bonbondosen, die jeder Autofahrer kennt, denn sie gehören zum Standardangebot von Tankstellen und Raststätten. Die Blechdosen der Marke Cavendish & Harvey sind das zweite Standbein von Pano, seit 1999 mit der Produktion begonnen wurde.
35 Millionen Euro Umsatz im vergangenen Jahr
Um die künftige Geschäftsbeziehung mit Cavendish & Harvey muss Pano sich übrigens trotz des chaotischen Brexits kaum sorgen, denn die Firma sitzt, anders als meist vermutet, nicht in England, sondern direkt um die Ecke: in Kaltenkirchen nördlich von Hamburg. Das Geschäft brummt, etwa 2,2 Milliarden Bonbons wurden im vergangenen Jahr produziert und in mehr als 25 Millionen Dosen verpackt.
Pano selbst hat mit seinen rund 130 Mitarbeitern im Jahr 2020 rund 730 Millionen Deckel und Dosen produziert und damit einen Umsatz von rund 35 Millionen Euro erwirtschaftet. Und das ist längst nicht das Ende der Fahnenstange, wenn es nach Wulf Eberhardt geht. Er hat noch einiges vor, ehe er den Familienbetrieb an die vierte Generation übergibt.
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Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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