Johann Heinrich Dräger war ein Mann der Tat: Als er beim Bier in der örtlichen Schänke sah, dass die Zapfanlage nicht richtig funktionierte, befasste er sich kurzerhand selbst mit dem Thema und entwickelte 1889 den ersten brauchbaren Kohlensäure-Druckminderer, das sogenannte „Lubeca-Ventil“. Die Erfindung kam bestens an, aber der gelernte Uhrmacher verkaufte das Patent nicht, sondern bewies Innovationsgeist und baute gemeinsam mit seinem Sohn Bernhard eine eigene Produktion auf.
Heute, 130 Jahre später, ist das Lübecker Traditionsunternehmen immer noch ein Familienbetrieb, aber ein ziemlich großer, der seit 40 Jahren an der Börse notiert ist und offiziell als „Drägerwerk AG & Co. KGaA“ firmiert. Dräger ist in über 190 Ländern vertreten und beschäftigt mehr als 13.000 Mitarbeiter in allen Teilen der Welt.
Jeder Beschäftigte darf seine Ideen einbringen
Die meisten von ihnen sind in der Medizintechnik tätig, die den Großteil des Umsatzes erwirtschaftet. Die anderen arbeiten in der Sparte Sicherheitstechnik, die zu den führenden Anbietern von Gasmess- und Personenschutz-Technik zählt und Systeme für den Brandschutz, den Bergbau, die Industrie und das Militär entwickelt.
Möglich war das nur, weil Forschung und Entwicklung bei Dräger immer einen hohen Stellenwert hatte. Und damit das auch so bleibt, wurde vor einigen Jahren ein ambitioniertes Innovationsmanagement geschaffen, das grundsätzlich jedem Mitarbeiter die Möglichkeit bietet, neue Ideen auszubrüten, aus denen später mal marktreife Produkte oder Dienstleistungen werden können.
Die „Garage“ ist Arbeitsplatz, Treffpunkt und Gestaltungsraum zugleich
Denn gute Ideen, so das Credo von Dräger-Vorstand Anton Schrofner, kann jeder haben – „man muss den Kollegen nur Mittel und Wege bereitstellen, sie darzulegen und weiterzuentwickeln“.
Genau das ist der Job von Thomas Glöckner, Teamleiter des Innovationsmanagements bei Dräger. „Willkommen in der Garage“, sagt er und klappt seinen Laptop zu, um die Besucher aus Hamburg zu begrüßen. „In diesen Räumen hat damals alles angefangen, und nun ist die Garage ein Ort geworden, der die Entwicklung neuer Konzepte fördert und allen Kollegen offensteht. Jeder kann ihn nutzen, Namen und Hierarchien spielen hier keine Rolle. Es ist gleichzeitig ein Arbeitsplatz, Treffpunkt und Gestaltungsraum.“
Ein Produkt aus Drägers „Garage“ ist bereits im Handel
Der Begriff „Garage“ ist natürlich nicht wörtlich zu nehmen, er ist vielmehr eine Anleihe an die Geschichte amerikanischer Hightech-Firmen wie Google und Amazon, die in Garagen entstanden. Passend dazu arbeitet Dräger mit einem neuartigen Innovationsprozess namens „Kickbox“, der vom US-Konzern Adobe entwickelt wurde.
Am Ende muss auch eine Jury überzeugt werden
Glöckner: „Dieser Prozess besteht aus sechs Schritten. Alles beginnt damit, dass der Teilnehmer ein bestimmtes Ziel definiert, aus dem im Anschluss nach und nach eine konkrete Idee entwickelt wird.“
Ob die Idee dann tatsächlich weiterverfolgt wird, entscheidet sich im letzten Schritt, wenn die Konzepte einer Jury präsentiert werden. „Sharktank“ heißt dieses Event in Anlehnung an das TV-Format aus den USA, das ähnlich wie die „Höhle der Löwen“ im deutschen Fernsehen funktioniert.
Hier geht es um alles, denn selbst mit der besten Geschäftsidee kann man scheitern, wenn sie nicht überzeugend vorgetragen wird.
„Eine tolle Veranstaltung“, sagt Thomas Glöckner, „auch für die Zuschauer. Im ersten Durchgang hatten über 120 Kollegen beziehungsweise Teams Ideen eingereicht, von denen 19 eine Einladung zu Präsentation erhielten. Übrig blieben 6 Projekte, die jetzt weiterverfolgt werden.“
Dräger-Chef: „Viel besser als ein Start-up in Berlin“
Eines davon ist nun so weit, dass es kommerziell genutzt werden kann. Der „Dreamguard“ (siehe links) ist ein smarter Bewegungsmelder für Babys, der vom Mitarbeiter Roelof Berg entwickelt und auf der Leitmesse Kind & Jugend bereits für den „Innovation Award 2018“ nominiert wurde.
Nach Einschätzung aller Beteiligten wird das Angebot des „Garagen“-Teams von der Belegschaft sehr gut angenommen und rege genutzt.
Und auch Firmenchef Stefan Dräger ist von dem Ansatz überzeugt. „Diese Methode ist eine echte Bereicherung für Dräger“, sagt er. „Sie hilft uns, Innovation anders und neu zu leben, und zwar parallel zu unseren bisherigen Verfahren. Die Garage ist viel besser als ein Start-up in Berlin. So können wir uns immer wieder neu erfinden.“
Damit das Baby sicher schläft
Der „Dreamguard“ ist das erste marktreife Produkt des neuen Innovationsmanagements von Dräger. Es ist ein Bewegungsmelder für Babys, der drei Funktionen in einem Gerät vereint – die Überwachung der Babygeräusche, der Schlafposition und der Bewegungen des Säuglings. Der Sensor wird, anders als bei klassischen Babyfon-Systemen, als sogenanntes „Wearable“ magnetisch an der Kleidung befestigt und ermöglicht den Eltern des Kindes so eine optimale Überwachung des Schlafs.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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