Das Ziel war ambitioniert: Auf dem Projektplan stand „die Entwicklung eines Gesamtsystems zur Herstellung von Bauteilen aus Aluminium“ im industriellen 3-D-Druck, und zwar nicht nur für die Luft- und Raumfahrt, sondern auch für den Autobereich. Und natürlich sollte der Prozess eine deutliche Senkung der Stückkosten ermöglichen, denn ohne wirtschaftliche Vorteile sind technische Innovationen wenig hilfreich.
Heute, zwei Jahre nach dem Projektstart, kann man im niedersächsischen Varel das Ergebnis der Entwicklungsarbeit besichtigen. Alle Ziele wurden erreicht. Im Technologiezentrum neben dem Werk von Premium Aerotec ist eine Produktionslinie entstanden, die eindrucksvoll belegt: Der 3-D-Druck, in Fachkreisen „Additive Manufacturing“ (AM) genannt, ist durchaus geeignet, größere Stückzahlen in Serie zu fertigen – mit gleicher Funktionalität, Wirtschaftlichkeit und Zuverlässigkeit wie bei konventioneller Produktion.
Drei starke Partner aus der Industrie
Möglich machte es eine Kooperation von drei starken Partnern aus der Industrie: Premium Aerotec (PAG), Daimler und Eos. Damit entstand ein schlagkräftiges Trio, bei dem jeder seine Erfahrungen und Stärken einbringen konnte.
Während der Autobauer Daimler vor allem sein Know-how aus der Großserienfertigung beisteuerte, kam die Expertise in Sachen 3-D-Druck gleich von zwei Seiten.Zum einen von der Airbus-Tochter Premium Aerotec, die mit diesem Verfahren schon seit einiger Zeit Titan-Bauteile für Flugzeuge produziert. Zum anderen von der Firma Eos, die ihren Sitz in Süddeutschland hat und als weltweit führender Technologieanbieter im industriellen 3-D-Druck gilt.
Autonome Transportfahrzeuge
Sie lieferte für das „NextGenAM“-Projekt einen hochleistungsfähigen 3-D-Drucker vom Typ EOS M 400-4, der mit vier Lasern gleichzeitig arbeitet und einen Bauraum von 40 mal 40 mal 40 Zentimetern hat.
„Das bedeutet, dass wir auch größere Teile oder mehrere Kleinteile in einem Durchgang fertigen können“, erklärt Christoph Wielenberg, der bei Premium Aerotec im Bereich Additive Manufacturing arbeitet. „Das ist ein wichtiger Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Anlage.“
Premium Aerotec, Daimler und EOS werten das Pilotprojekt für den automatisierten 3-D-Druck als großen Erfolg
Während er die verschiedenen Geräte der Anlage erklärt, setzt sich hinter ihm ein Modul in Bewegung, um selbstständig von einer Station zur nächsten zu fahren. Wielenberg: „Ein wichtiges Element der Anlage. Früher brauchte man einen Mitarbeiter, der die Prozesse immer im Blick hatte und die Teile hin- und hertrug. Bei uns dagegen erfolgt der Transport der Bauteile zwischen den einzelnen Stationen voll automatisiert mithilfe eines autonomen Transportfahrzeugs.“
Die Prozesse sind voll automatisiert
Die Versorgung des Druckers mit Aluminiumpulver erfolgt automatisiert. Der EOS M 400-4 ist mit einer eigenen Pulverstation ausgestattet und mit einer allein stehenden Rüst- sowie Auspackstation verbunden. Dadurch können verschiedene Schritte gleichzeitig und unabhängig vom eigentlichen Druckprozess ablaufen.
Das gilt nicht nur für das Befüllen und Entleeren des Systems mit Metallpulver, sondern auch für das Rüsten des Systems zur Vorbereitung eines neuen Auftrags und das Auspacken der gefertigten Teile aus dem Pulverbett. So wurde die Produktivität deutlich gesteigert.
Der gesamte Produktionsprozess steuert sich selbst ohne Bedienpersonal über einen zentralen, autonomen Leitstand. Grundlage ist die Vernetzung aller eingesetzten Maschinen.
Fertigungsstatus ist auch mobil abrufbar
Die Auftragsdaten werden an den Leitstand übertragen, dieser priorisiert die einzelnen Aufträge und ordnet sie einem AM-System zu. Der Fertigungsstatus ist dabei auch während des Druckvorgangs mobil abrufbar – man muss also nicht vor Ort sein, um die Vorgänge zu überwachen.
Nach Abschluss der kompletten Produktionskette werden die Qualitätsberichte zentral zurück an den Leitstand gesendet. Dieser stellt alle benötigten Daten zur Erstellung eines „digitalen Zwillings“ bereit, was unter anderem eine umfassende Rückverfolgbarkeit ermöglicht.
Wenn alles fertig ist, wird gesägt
Wielenberg: „Die Fertigung ist komplett skalierbar; die Kapazität kann durch zusätzliche modulare Stationen erweitert werden, um so auf Kapazitätsänderungen reagieren zu können.“
Unterdessen testet sein Kollege Alexander Hemmen die Station zur optischen Kontrolle der Bauteile. Hier steht ein Roboter, dessen Arm mit einer speziellen Laseroptik bestückt ist. Er ist in der Lage, die gedruckten Teile berührungslos zu messen und mögliche Abweichungen sofort zu erkennen. Hemmen: „Ein Mensch bräuchte für diesen Vorgang deutlich länger, selbst wenn er gut eingearbeitet ist.“
Entscheidend ist die Kommunikation zwischen den Geräten
Wenige Meter weiter befindet sich ein zweiter Roboter, der die Platten mit den gedruckten Teilen aus der Rüststation nimmt und zur Wärmenachbehandlung in den Ofen schiebt. Letzte Station der Anlage ist eine Säge, die die einzelnen Teile von der Plattform trennt.
Was im heutigen Betrieb so reibungslos und scheinbar wie von selbst läuft, ist das Ergebnis einer monatelangen Ingenieursarbeit mit diversen Beteiligten.
Alexander Hemmen: „Zu den größten Herausforderungen zählte die Gestaltung der Kommunikation zwischen den einzelnen Geräten. Drucker, Transportsystem, Roboter – alle haben ihre eigenen Schnittstellen. Da die Anlage aber komplett autonom laufen soll, müssen alle Geräte perfekt miteinander kommunizieren. Das haben wir geschafft.“
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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