Wer seine Ausbildung bei German Naval Yards Kiel (GNYK) abschließt, braucht am Ende noch mal Geduld. Denn dann geht es in einen winzigen Aufzug, der für die Aufwärtsfahrt fast zwei Minuten braucht, und die letzten Meter müssen auf einer steilen Treppe zurückgelegt werden. Aber es lohnt sich – wenn man oben angekommen ist, ganz oben auf dem blauen Portalkran der Werft, hat man aus 100 Meter Höhe einen grandiosen Blick auf die Kieler Förde und weit darüber hinaus.
Aber das ist noch nicht alles. Denn die Werftleitung hat auf dem Kran, der mit 900 Tonnen Tragkraft der stärkste Portalkran im Ostseeraum ist, eine Lounge (siehe links) bauen lassen, die in dieser Form wohl weltweit einzigartig ist. Der Raum bietet Platz für 20 Gäste und ist mit einem Kühlschrank, gemütlichen Möbeln und einem großen Monitor ausgestattet. Genau die richtige Location, um mit Kunden zu sprechen oder erfolgreiche Azubis in einem besonderen Rahmen zu ehren.
Überraschungseffekt auf dem Portalkran
Heiko Landahl-Gette lacht, als er die verblüfften Gesichter seiner Gäste beim Betreten der Lounge sieht. Der Kommunikationschef der Werft kennt den Überraschungseffekt bereits, die Reaktion ist immer die gleiche, wenn Besucher auf den Kran kommen. Und Besuch gibt es in letzter Zeit oft, denn die Werft hat große Pläne.
Landahl-Gette: „Wir haben Mitte Juli unser finales Angebot für den Bau des Mehrzweckkampfschiffs MKS 180 eingereicht, zusammen mit unserem Kooperationspartner ThyssenKrupp Marine Systems (TKMS). Damit ist German Naval Yards Kiel der einzige verbliebene deutsche Generalunternehmer in dem europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb des Verteidigungsministeriums.“
Der größte Marineauftrag seit Gründung der Bundeswehr
Das ist in der Tat überraschend, denn die Ausschreibung ist keine x-beliebige Beschaffungsmaßnahme, sondern der bisher größte Marineauftrag seit Gründung der Bundeswehr. Nach Schätzungen von Fachleuten geht es um ein Volumen von mindestens 4 Milliarden Euro.
Davon würden nicht nur die beiden Kieler Werften profitieren, sondern auch „Hunderte kleinere und mittlere Unternehmen in ganz Deutschland“, so GNYK-Geschäftsführer Jörg Herwig.
Impulse für die ganze Branche
Der Werft-Chef erwartet von dem Bau der modernen Fregatte wichtige Impulse für den gesamten deutschen Marineschiffbau. Herwig: „Dieses Projekt ist wichtig für die Innovationskraft der ganzen Branche. Mit dem MKS 180 hätten wir als deutsche Unternehmen die Chance, die Technologieführerschaft im internationalen Wettbewerb zu behaupten. Zudem könnten Tausende von Arbeitsplätzen dauerhaft erhalten werden.“
Attraktiv ist das Projekt auch deshalb, weil gleich vier Exemplare geliefert werden sollen. German Naval Yards Kiel plant, die Entwicklung, die Konstruktion und den eigentlichen Bau der Schiffe in Deutschland durchzuführen.
Erstklassige Infrastruktur
Für dieses anspruchsvolle Vorhaben sieht sich das Unternehmen an der Kieler Förde gut gerüstet. Die Werft, die rund 500 Beschäftigte und eine Ausbildungsquote von 5 Prozent hat, verfügt laut Herwig über eine erstklassige Infrastruktur und die notwendige Expertise, um technologisch hochkomplexe Marineschiffe zu bauen.
Außerdem sei GNYK in der Lage, mehrere große Schiffe gleichzeitig zu reparieren. Und auch die geografische Lage spreche für das Kieler Unternehmen, denn eine funktionierende Werftinfrastruktur an der Ostsee sei für Einsätze und Übungen der NATO sicherheitspolitisch von hoher Bedeutung.
Große Expertise mit kurzen Entscheidungswegen
German Naval Yards Kiel entstand aus dem Überwasserschiffbau der Werft HDW, die lange Deutschlands größter Schiffbauer war. Heiko Landahl-Gette: „Wir haben hier auch Mitarbeiter, die in der dritten Generation auf der Werft sind. Dabei verknüpfen wir diese große Expertise mit kurzen Entscheidungswegen – fast wie in einem Start-up-Unternehmen. “
German Naval Yards Kiel hat rund 500 Beschäftigte und eine Ausbildungsquote von 5 Prozent
Gemeinsam mit den Schwesterbetrieben Nobiskrug in Rendsburg und Lindenau in Kiel bildet GNYK einen Werftenverbund, der in Deutschland über 1.000 Arbeitskräfte beschäftigt.
Großblockbauweise macht vieles möglich
Einer von ihnen ist Reinhard Krüger, der 2017 bei den Kielern anheuerte und in der Untergruppenfertigung arbeitet. Der 58-Jährige ist ein alter Hase, er hat viel gesehen und war zwölf Jahre lang als Bauaufsicht auf einer koreanischen Werft tätig.
„Die Dimensionen dort sind unglaublich“, erzählt er. „Ein Betrieb mit schätzungsweise 30.000 Mitarbeitern, die im Schnitt ein Schiff pro Woche abliefern. Da werden die Frachter wie aus riesigen Legosteinen zusammengesetzt.“ Heiko Landahl-Gette nickt. „Die Dimensionen bei uns Kiel sind natürlich andere, aber mit unserer Großblockbauweise setzen wir auf ein ähnliches Konzept.“
Rettungszentrum für Marineschiff
Ein weiteres Kooperationsvorhaben ist auch das neue Projekt von GNYK. Die Werft baut für die Bundesmarine gemeinsam mit Projektpartner Zeppelin Mobile Systeme ein integriertes Marineeinsatz-Rettungszentrum (iMERZ) mit Laboren, Operations- und Behandlungsräumen. Es wird nach der Fertigstellung als festes Deckshaus auf den Einsatzgruppenversorger „Frankfurt am Main“ gesetzt.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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