Ein Donnerstagmorgen Anfang September, kurz nach Sonnenaufgang. Noch herrscht Ruhe im Outdoor-Trainingszentrum „Raus in die Natur“ bei Großenaspe in Schleswig-Holstein. Bis Klettertrainer Basti Punkt 7 Uhr durch die Zeltreihen läuft, mit kräftiger Stimme „Aufstehen“ ruft und damit die Nacht abrupt beendet.
Gähnen und leises Seufzen ertönt, erste Reißverschlüsse werden aufgezogen, und verschlafene Gesichter schauen aus den Zelten. Es kommt Leben ins Camp, das drei Tage lang ein gutes Dutzend Ausbilder und rund 60 Azubis der Kieler Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) und ihres Schwesterunternehmens Atlas Elektronik aus Bremen beherbergt.
Das Outdoor-Camp gibt es bereits seit zwölf Jahren
Die jungen Leute haben erst vor wenigen Tagen ihre Lehre beziehungsweise ihr duales Studium begonnen und treffen sich nun irgendwo im Nirgendwo. Hier werden sie sich unter ungewöhnlichen Bedingungen kennenlernen und gemeinsam Aufgaben meistern.
„Wir organisieren das Outdoor-Camp bereits seit zwölf Jahren und haben damit sehr gute Erfahrungen gemacht“, sagt Cem Selvi, Ausbildungsleiter bei TKMS. „Das Kennenlernen und Zusammenwachsen zu einer Gruppe funktioniert unter diesen Rahmenbedingungen ganz anders als indoor“, sagt er. „Wir meinen sogar: Es klappt hier besser.“
Auch die Ausbilder profitieren
Ingo Giese, der bei TKMS für alle Standorte die Bereiche Ausbildung, Recruiting und Personalentwicklung verantwortet, stimmt zu. „Die Azubis werden vor ungewöhnliche Aufgaben gestellt, die sie echt fordern und zugleich ihre Persönlichkeitsentwicklung fördern“, sagt er.
Das Azubi-Camp hat sich bewährt, TKMS macht es seit zwölf Jahren.
Davon profitieren auch die Ausbilder, die sich bereits im Vorfeld ein sehr differenziertes Bild von ihren künftigen Schützlingen machen können. Und auch Ausbilder Michael Schenk ist begeistert vom Outdoor-Event. „Hier lerne ich die komplette Azubi-Gruppe kennen und nicht nur meine Ausrüstungstechniker“, sagt er.
Der Tag beginnt mit Frühsport um 7.30 Uhr
In verschiedenen Bereichen müssen sich die Azubis während der drei Outdoor-Tage beweisen. Sie durchlaufen, aufgeteilt in fünf Gruppen, verschiedene Stationen. Bogenschießen, ein Feuer in der Natur entfachen und es am Brennen halten, Klettern im Hochseilgarten und ein Spielschiff für eine Kindertagesstätte bauen gehören dazu.
Bereits der gemeinsame Aufbau der Zelte wird zum Teamtraining, denn dabei hilft man sich gegen-seitig. Jeder Tag beginnt mit gemeinsamem Frühsport um 7.30 Uhr. Danach muss das Feuer entzündet und das gemeinsame Essen zubereitet werden.
Klettereinheiten im Hochseilgarten
Während eine Gruppe zum Persönlichkeitstraining mit Sportpsychologin Anna-Lena Ehlert aufbricht, bereitet sich eine andere am Boden im Low-Level-Parcours auf die Klettereinheit im Hochseilgarten vor.
Das Klettern gehört zu den echt fordernden Aktivitäten. Zehn bis zwölf Meter über dem Waldboden balancieren, klettern und hangeln sich die Azubis durch einen anspruchsvollen Kurs. Zwar stets gut gesichert, dennoch stoßen manche hier an die Grenzen ihrer Fähigkeiten. Etwa dann, wenn zwei Personen sich nur gegenseitig über Seile bis zur nächsten Station helfen können.
Man wächst mit seinen Aufgaben
Tim Gullich, angehender Konstruktionsmechaniker der Schweißtechnik, hat diesen Teil des Hochseilparcours besonders in Erinnerung behalten. „Mega!“, sagt der 18-Jährige. „Du gehst hoch und ziehst es durch. Das kann ich nur jedem empfehlen.“
Am Schießstand versucht sich in der Zwischenzeit eine andere Gruppe mit Pfeil und Bogen. Keine leichte Aufgabe, denn die etwa 15 Meter entfernt stehende Scheibe zu treffen, ist am Anfang eher Glücksache.
Bogenschießen als Konzentrationsübung
Bogentrainer Simon hilft, wo er kann. „Zur Ruhe kommen, sich auf ein Ziel konzentrieren, abziehen und dann loslassen“, sagt er und tatsächlich treffen einige nach wenigen Minuten den äußeren Ring der Scheibe. Simon nickt anerkennend.
Bevor die Auszubildenden ihr Glück aber überhaupt probieren dürfen, müssen sie sich jeden Pfeil verdienen. Vielfältige Aufgaben sind zu bewältigen. Einen Apfel mit einer Hand schälen etwa, mit dem Fahrrad, einer Karte und einem Kompass, aber ohne Handy ein bestimmtes Ziel in der Umgebung finden oder Feuer machen – die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Am Ende schießen zwei Mannschaften einen Wettbewerb aus und ermitteln eine Siegergruppe.
Auch Persönlichkeitstraining ist dabei
Bleibende Eindrücke vermittelt das Persönlichkeitstraining. In vielen Gruppenspielen lernen die Azubis sich und ihre künftigen Kollegen kennen und geben etwas über sich preis.
Etwa, wenn jeder Mitspielende aufgefordert ist, drei Geschichten von sich zu erzählen, von denen eine unwahr ist. Natürlich müssen die anderen erraten, welche Storys wahr sind und welche geflunkert. Oder sie suchen sich einen Gegenstand aus der Natur und erklären anhand dieses Zweigs, der Blume oder des Steins, warum sie als Auszubildende bei TKMS beginnen wollen und was sie sich von der Ausbildung erhoffen.
Gemüse schnippeln für 90 Personen
„Das Persönlichkeitstraining fand ich sehr beeindruckend“, sagt Alina Feuersenger. „Man lernt auch eine Menge über sich selbst.“
Während die Gruppen am Schießstand, im Hochseilgarten und beim Persönlichkeitstraining gefordert sind, bereiten andere das Essen vor. Gemüse schnippeln für knapp 90 Personen – auch das kann ganz schön anstrengend werden.
Gemeinsames Essen am Lagerfeuer
Aber mit Scherzen und in der Gruppe geht auch diese Arbeit gut von der Hand, und schon bald ist die riesige Schwenkpfanne gefüllt und brutzelt über dem Lagerfeuer im zentralen überdachten Treffpunkt.
Hier trifft sich auch schon bald die gesamte Gruppe, denn unmittelbar nach dem Mittagessen beginnt es zu regnen. Und zwar so heftig, dass an gemeinsame Spiele in der freien Natur zunächst nicht mehr zu denken ist.
Schmuddelwetter gehört dazu
Dennoch geht das Programm nach einiger Zeit weiter, schließlich sind wir im Norden, wo Schmuddelwetter einfach dazugehört. Die Teilnehmer haben Regenklamotten übergezogen und sind bereit für die nächsten Aufgaben.
Das Persönlichkeitstraining wird kurzerhand in den überdachten Treffpunkt am Lagerfeuer verlegt, das Bogenschießen findet unter erschwerten, weil nassen Bedingungen statt, und sogar der Hochseilparcours wird wieder erklommen.
Auch ein Spielschiff wird gebaut
Auch der Bau des Spielschiffs wird fortgesetzt, dank Überdachung unter halbwegs trockenen Bedingungen. Wenn das Schiff in einigen Tagen fertig ist, wird es an die Kindertagesstätte „Kleines Wunder im Hasenkamp“ in Schönkirchen bei Kiel übergeben.
Die Vorsitzende der Jugend-Auszubildendenvertretung (JAV) Leevken Thede fährt, seitdem sie das Amt innehat, jedes Jahr mit nach Großenaspe. „Ich finde die Veranstaltung einfach klasse“, sagt sie. Zum einen lerne sie so auf einen Schlag alle neuen Azubis kennen, und zum anderen ergäben sich nur hier so viele Möglichkeiten, mit den jungen Leuten ins Gespräch zu kommen.
„Und schauen sie selbst“, sagt sie und zeigt auf die Gruppe, „niemand daddelt auf seinem Smartphone herum. An jedem anderen Veranstaltungsort wäre das ganz sicher anders.“
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Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.
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