Hamburg. Monatelang wurde auf politischer Ebene gerungen, nun wird er bundesweit eingeführt: der Flüchtlingsausweis, mit dem die Behörden transparente Verhältnisse schaffen wollen. Der „Ankunftsnachweis“, wie das Dokument offiziell heißt, beinhaltet nicht nur Geburtsdaten und Namen der Inhaber, sondern auch andere Angaben wie Augenfarbe und Körpergröße.
Diese Informationen werden zeitnah nach der Einreise erfasst und zentral gespeichert, um eine klare Identifizierung zu ermöglichen. Eines der wichtigsten Elemente ist die Registrierung der Fingerabdrücke, denn nur damit ist es möglich, Personen eindeutig zu identifizieren.
Die Scanner dafür kommen aus Hamburg, wo die Firma Dermalog Identification Systems ihren Sitz hat. Dermalog ist Deutschlands größter Biometrie-Spezialist und international einer der Marktführer seiner Branche. Die Firma wurde 1995 von dem Humanbiologen Günther Mull gegründet, der mittlerweile 170 Mitarbeiter beschäftigt.
Allerdings sitzen sie oft mehr im Flugzeug als am Schreibtisch, da Dermalog seinen Umsatz zu über 95 Prozent im Ausland macht. Mull: „Unsere Hauptmärkte sind Asien, Afrika, Lateinamerika und der Nahe Osten. Dort ist der Bedarf am größten.“
Das liegt auch daran, dass einige dieser Länder lange Zeit keine funktionierende Verwaltung hatten. Beispiel Jemen: Dort gab es bis kurzem nicht einmal Personalausweise, was viele Beamte trickreich nutzten, um mit doppelten Identitäten doppelte Bezüge zu kassieren. Dank des Automatischen Fingerabdruck-Identifizierungssystems (AFIS) von Dermalog konnte diese Praxis beendet werden.
Möglich werden solche Erfolge durch den Einsatz hocheffizienter Rechner, die riesige Datenmengen verarbeiten können. Damit gelang unlängst sogar ein Weltrekord: Das „Dermalog Next Generation AFIS“ schaffte es, binnen einer Sekunde alle zehn Fingerabdrücke einer Person in einer Datenbank mit fast 130 Millionen Abdrücken fehlerfrei zu identifizieren. Firmenchef Mull: „Das hat noch kein anderer geschafft. Das System ist speziell für die Nutzung in Verbindung mit großen Datenbanken ausgelegt, wie sie beispielsweise bei Grenzkontrollen zum Einsatz kommen.“
Im Zusammenhang mit dem Flüchtlingsausweis lieferte Dermalog ingesamt 1.800 Scanner. Zum Einsatz kommt das Modell „LF 10“, mit dem sich vier Finger gleichzeitig scannen lassen. Außerdem verfügt das Gerät laut Hersteller über eine „integrierte Fälschungs- und Lebenderkennung“.
Augenblick, eine „Lebenderkennung“? Was ist das? Mull lacht. „Sie glauben gar nicht, was sich die Leute alles ausdenken. Einige versuchen es mit künstlichen Fingern, andere kleben geprägte Folien auf ihre Fingerkuppen.“
Entwickelt wurde die Methode gemeinsam mit Rechtsmedizinern der Uniklinik Eppendorf. Sie beruht darauf, dass beim Scannen mit verschiedenen Lichtquellen gearbeitet wird. Bestimmte Eigenschaften des Lichts werden von echten Fingern nämlich anders reflektiert als von künstlichen. Die Software registriert die Unterschiede sofort und lässt nur echte Finger durch. Und sollte jemand auf die Idee kommen, einen abgeschnittenen Finger auf den Scanner zu legen, erkennt das System auch diesen Täuschungsversuch sofort.
Günther Mull ist mit der Materie bestens vertraut, denn die ersten Finger-Scanner hat er als Student in den 90er-Jahren selbst entwickelt. Den Kredit für die Firmengründung bekam er von seinem Vater, und trotz seines internationalen Geschäfts ist er bis heute Mittelständler geblieben.
„Ein unschätzbarer Vorteil“, bilanziert Mull. „Wir sind dadurch extrem beweglich und hoch innovativ. Daran wird sich auch nichts ändern.“
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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