Fluggerätmechaniker Jörg Schneider hat freie Hand. Alles, was er zum Check des fast fertigen Türrahmens braucht, zeigt ihm seine Datenbrille an. Sind alle Verbindungen okay? Entspricht die Verarbeitung den Standards? Per Sprachbefehl gibt er zu jedem Punkt eine Rückmeldung, die sofort in die digitale Bauakte einfließt.

Der Einsatz solcher „Smart Glasses“ ist ein Element des Industrie-4.0-Konzepts, das die Airbus-Tochter Premium Aerotec in ihrer neuen Fertigungslinie für Türrahmen im niedersächsischen Varel anwendet.

Interaktive Monitore an den Werkbänken, eine automatische, roboter-geführte Messzelle zur exakten Endabnahme des Produkts, Bohrroboter und autonom agierende Transportfahrzeuge in der Halle sowie ein Echtzeitverfolgungssystem von Bauteilen sind die Merkmale einer radikal veränderten Produktionsweise im industriellen Flugzeugbau.

Moderne Fertigung spart Zeit, Gewicht und Geld

Oliver Theilken, Leiter der Türrahmenmontage, erläutert die Beweggründe für die Einführung dieser Tools. „Wir werden effizienter und können in kürzerer Zeit eine größere Vielfalt an Produkten herstellen. Damit stärken wir unsere Stellung am Markt nachhaltig.“

Durch Flugzeugtürrahmen betreten Passagiere die Kabine, und auch Gepäck gelangt durch Frachttüren in das Innere von Maschinen. So weit, so banal. Doch die Vielfalt an Flugzeugmodellen und die stetig steigenden Material-Anforderungen machen die Fertigung des Rahmens zu einem höchst anspruchsvollen Prozess.

„Bei uns im Flugzeugbau zählt jedes Kilo“, sagt Theilken. Daher bestehen Türrahmen heute nicht mehr nur aus Metall, sondern auch und vor allem aus karbonfaserverstärktem Kunststoff (CFK). Bei den Rahmen für die Passagiertüren des A350 konnten so beispielsweise 40 Kilogramm eingespart werden, bei den größeren Frachttürrahmen sogar etwa 70 Kilogramm.

Zuwachs an Produktivität durch Fertigung im Takt

Seit der Lieferung des ersten Türrahmens für den A350 im Jahr 2011 hat sich der Output des Vareler Werks stetig gesteigert. Zudem wurden auch Designs und Materialien ständig verändert. Heute liefert das 2017 eingeweihte „Door Surround Center“ (DSC) mit 164 Mitarbeitern rund 140 Türrahmen in unterschiedlichen Varianten im Monat aus – Tendenz steigend. „Ohne die Umstellung von stationärer Fertigung auf die getaktete Linienmontage wäre diese Leistung nicht möglich gewesen“, so Theilken.

Auf zwei Montagelinien werden heute Rahmen für den Airbus A321neo ACF, den A330neo sowie den A350XWB gefertigt. „Die Linien ermöglichen uns eine hohe Produktvarianz“, sagt DSC-Projektleiter Kai Warner. „Insgesamt können wir 14 unterschiedliche Türrahmen sowohl aus Metall als auch aus CFK bauen.“ Die Einzelteile werden „just in time“ zur Verfügung gestellt, ein digitales Bauteil-Anlieferungskonzept macht’s möglich.

Sobald die Materialien in der Halle eingetroffen sind, werden sie auf Trolleys geladen, die mit RFID-Etiketten bestückt sind. So kann jedes Teil jederzeit geortet werden.

Enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Roboter

Damit sind die Vareler schon wegweisend unterwegs, aber sie gehen noch einen Schritt weiter in Richtung Industrie 4.0. Das Stichwort heißt Cobot. Es steht für Collaboration, also Zusammenarbeit, und Roboter. Konkret ist damit eine enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und Maschine gemeint.

Bei Premium Aerotec testen die Ingenieure gerade mehrere Möglichkeiten. Eine betrifft das Anbringen von Haltern an den Seiten der Türrahmen. Der Roboter platziert die Halter an den richtigen Stellen, und der Mensch befestigt sie. Vorteil: Der Monteur hat beide Hände frei, und Fehler werden weitestgehend vermieden, weil die Lage der Halter an den jeweiligen Rahmenteilen im Roboter programmiert ist. Noch befindet sich diese Art der Roboterassistenz in der Probephase, doch die ersten Schritte sind gemacht.

Die neue Türrahmen-Montagelinie wurde übrigens auf der Luftfahrtausstellung ILA 2018 in Berlin mit dem Innovationspreis der Deutschen Luftfahrt ausgezeichnet. Es versteht sich fast von selbst, dass die Vareler den Preis in der Kategorie „Industrie 4.0“ gewannen.

Begegnung mit...

Jan-Eike Gerhard arbeitet im Planungsteam der Türrahmenlinie. Foto: GUS/Lothar Steckel
Jan-Eike Gerhard arbeitet im Planungsteam der Türrahmenlinie. Foto: GUS/Lothar Steckel

Jan-Eike Gerhardt: Realist mit Visionen

Physik und Mathe waren seine Lieblingsfächer in der Schule. Kein Wunder, dass Jan-Eike Gerhardt nach dem Abi ein duales Studium zum Maschinenbauingenieur in Wilhelmshaven aufnahm. „Ich bin ein logisch denkender Mensch und habe ein gutes räumliches Vorstellungsvermögen. Das kommt mir heute zugute“, sagt er.

Die betriebliche Ausbildung absolvierte er bei Premium Aerotec. Das war naheliegend, denn seine frühere Schule hat eine Partnerschaft mit dem Unternehmen. „So konnte ich schon als Schüler etwas über den Betrieb erfahren“, erzählt der 23-Jährige. Und auch die Hochschule sah er sich vorher an, und zwar über ein Schnupperstudium in den Ferien.

Heute arbeitet er in der Planungsabteilung des Door Surround Center und setzt Industrie-4.0-Elemente in die Praxis um. „Das ist keine Science- Fiction, dafür bin ich auch zu sehr Realist“, sagt Gerhardt. Dennoch hat er Verständnis dafür, dass nicht alle Außenstehenden seine Begeisterung teilen. Aber Industrie 4.0 und Digitalisierung sind nun mal, so der Ingenieur, „definitiv die Zukunft“.

Mein Job

Wie kamen Sie zu Ihrem Job?

Ich wollte im technisch-naturwissenschaftlichen Bereich arbeiten und auch in meiner Heimat bleiben. Da kam das Angebot von Premium Aerotec für ein duales Studium gerade recht.

Was gefällt Ihnen besonders?

Im Rahmen meiner Arbeit bin ich immer mit den neuesten Technologien und mit Zukunftsthemen befasst. Das ist klasse und macht mir sehr viel Spaß.

Worauf kommt es an?

Man muss Begeisterungsfähigkeit mitbringen und persönlich hinter dem stehen, was man macht. Natürlich gehören auch eine Portion technisches Verständnis und Teamfähigkeit dazu.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

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