Rund sechs Monate dauerte die Suche, dann war das Schiff gefunden: Ein 33 Meter langer Trawler, Baujahr 1968, der zuletzt in der Fischerei-Forschung vor der britischen Küste eingesetzt wurde.
„Nahezu perfekt für unsere Mission“, sagt Skipper Ingo Werth. „Zehn Meter länger als unser erstes Schiff und mit ausreichend Platz für eine Crew aus elf Leuten, aber immer noch klein genug für die Häfen im südlichen Mittelmeer.“
Denn genau dort soll der Trawler künftig eingesetzt werden: als zweites Rettungsschiff der privaten Initiative Sea-Watch, die Mitte 2015 damit begonnen hat, Flüchtlingen in Seenot zu helfen. Noch steht der alte Name „Clupea“ (lateinisch für „Hering“) am Rumpf, doch das wird sich bald ändern. Ab April soll das Schiff als „Sea-Watch 2“ im Mittelmeer patrouillieren.
Bis dahin gibt es noch einiges zu tun. Ingo Werth weiß, dass der Zeitplan ambitioniert ist, zumal der Umbau, der mindestens 250.000 Euro kosten wird, komplett über Spenden finanziert werden muss. Aber er ist fest entschlossen, den Termin zu halten. „Jeden Tag sterben da unten Menschen“, sagt der 56-Jährige. „Und die Situation wird nicht besser, sondern eher schlechter, weil viele Länder ihre Grenzen schließen. Es ist unsere Pflicht, zu helfen.“
Ermöglicht wurde der Umbau durch die Unterstützung der Pella Sietas Werft, die im Jahr 1635 gegründet wurde und zu den ältesten Betrieben im Norden zählt. „Wir sind dem Unternehmen sehr dankbar“, sagt Team-Mitglied Frank Scholz. „Die Werft erfuhr von unserem Plan und bot sofort Hilfe an.“
Scholz selbst ist wie die meisten Sea-Watch-Aktivisten ein echtes Multitalent. Der studierte Augenarzt hat eine hohe technische Kompetenz und obendrein jede Menge Taucher-Erfahrung.
Das war sehr hilfreich nach dem Kauf des Schiffes, denn die „Clupea“ hatte viele Monate lang am Kai gelegen und musste zunächst unter Wasser mühsam vom Algen- und Muschelbewuchs gesäubert werden. Der britische Fiskus hatte das Schiff wegen hoher Steuerschulden der früheren Eigner kurzerhand an die Kette gelegt.
Den Käufern aus Deutschland kam das zugute. Sie konnten die „Clupea“ für vergleichsweise günstige 200.000 Euro aus der Insolvenzmasse erwerben.
Nach der Überführung in den Hamburger Hafen begann sofort der Umbau. „Das Schiff musste erst mal gründlich entrostet werden“, erzählt Kapitän Werth. „Außerdem war ein Komplett-Check für die Maschine und die Ruderanlage fällig.“ Ebenfalls auf der Liste: ein neuer Bordkran, mit dem man Beiboote und andere Dinge bewegen kann. Werth und seine Leute hoffen jetzt auf einen Sponsoren, der das Gerät zur Verfügung stellt, denn ein Neukauf wäre kaum bezahlbar.
Besonders glücklich ist Ingo Werth darüber, dass die „Sea-Watch 2“ einen Lazarett-Raum haben wird. Ein großer Vorteil, denn auf dem alten Schiff gab es für die Erstversorgung von Patienten nur den Salontisch.
Noch sieht es in dem Raum ziemlich chaotisch aus, aber die Umbauarbeiten haben bereits begonnen. Werth durchquert den Raum mit schnellen Schritten und zeigt auf die Türöffnung, durch die an diesem Morgen ein kalter Hamburger Wind pfeift: „Wir haben Glück, die ist – anders als viele andere Schiffs- türen – sogar so breit, dass man mit einer Trage durchkommt, falls nötig. Wir müssen ja auf alles vorbereitet sein, denn die Flüchtlinge sind oft am Ende ihrer Kräfte und gesundheitlich schwer angeschlagen.“
Aber das neue Schiff ist nicht nur wegen seiner medizinischen Ausstattung ein Riesenschritt nach vorn. Sea-Watch-Gründer Harald Höppner: „Mit dem Schiff können wir künftig rund um die Uhr und auch bei schlechtem Wetter arbeiten, da es stabiler ist und eine größere Crew zulässt. Außerdem können wir die Flüchtlingsboote dank moderner Technologie besser orten.“
Rupert Neudecks Grünhelme helfen, das Schiff umzurüsten
Unterstützung beim Umbau bekommt Sea-Watch nun auch von den Grünhelmen, einer Organisation, die 2003 von Rupert Neudeck und Aiman Mazyek gegründet wurde. Neudeck kennt sich mit dem Thema aus, er war in den 70er-Jahren Mitgründer der Initiative Cap Anamur, die Tausende von vietnamesischen Flüchtlingen im Chinesischen Meer rettete.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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