Selbst am traditionsreichen Werftstandort Emden kommt es ab und zu vor, dass altgediente Schiffbauer ehrfurchtsvoll am Ufer der Ems stehen und gespannt verfolgen, wie ein Schiff eingedockt wird. Vor einigen Wochen war es wieder so weit, als bei Emden Dockyard ein ganz spezielles Schiff eintraf. Die 72 Meter lange „Planet“ ist ein maritimes Unikat, sie hat einen Doppelrumpf und gilt als modernstes und leisestes Forschungsschiff der Nato. Nun musste es gründlich überholt und instand gesetzt werden.
„So ein Auftrag“, sagt Geschäftsführer Christian Eckel, „ist schon etwas Besonderes. Wir haben uns wirklich darüber gefreut. Allerdings war es auch kein Zufall, dass man uns damit beauftragt hat, denn das Schiff ist hier bei uns in Emden gebaut worden.“
Spezialisierung auf Instandhaltung und Reparatur
Mit „hier bei uns“ meint der promovierte Ingenieur die Nordseewerke, aus denen der Dienstleister Emden Dockyard vor rund fünf Jahren hervorgegangen ist. Die Firmierung „Emden Dockyard“ ist gewissermaßen die Kurzform für „Emder Werft und Dock GmbH“ (EWD), wie das Unternehmen laut Handelsregister offiziell heißt.
Eckel: „Die Nordseewerke haben Schiffe gebaut, aber unser Fokus liegt auf Reparatur und Instandhaltung. Wir sind ein kompakter Reparaturbetrieb mit einer exzellenten und modernen Infrastruktur und einem bestens ausgebildeten Team von rund 100 Facharbeitern und Projektmanagern mit vielen Jahren Berufserfahrung.“
Große Bandbreite
Sein Kollege Niels Rehbock ergänzt: „Wir decken die gesamte Bandbreite rund um die Bereiche Marine, Special & Offshore, Handelsschiffe, Kreuzfahrt und Superjacht ab. Hier führen wir Nachrüstungen, Umbauten, Reparatur- und Modernisierungsarbeiten durch und übernehmen bei Bedarf auch kleinere Schiffsneubauten.“
Bei der „Planet“ beispielsweise waren gleich mehrere Dinge zu erledigen. Unter anderem mussten die vier Dieselgeneratoren ausgebaut und zwecks Überholung zum Hersteller geschickt werden. Außerdem untersuchten die EWD-Experten den Rumpf sowie Schweißnähte auf mögliche Schäden.
Viele Mitarbeiter sind seit langer Zeit dabei
Eckel: „Unser Vorteil ist, dass wir viele langjährige Mitarbeiter haben, die über eine große Erfahrung verfügen, und das sowohl in der Schiffreparatur als auch im Schiffneubau. Daher trauen wir uns auch Aufgaben zu, die etwas anspruchsvoller sind. Außerdem haben wir ein umfangreiches Netzwerk, das uns bei Bedarf perfekt unterstützt.“
Der 62-jährige Geschäftsführer ist ebenfalls seit langer Zeit dabei. Er hatte vor 30 Jahren als Ingenieur bei den Nordseewerken angeheuert und ist mit den Herausforderungen bei Schiffbau und -reparatur bestens vertraut. Sein Credo: „Wer heutzutage im Wettbewerb bestehen will, braucht vor allem motivierte und qualifizierte Mitarbeiter.“
Der Dienstleister Emder Werft und Dock ist auf jeden Fall optimal ausgestattet für Aufträge aller Art
Daher hat das Thema Ausbildung bei Emden Dockyards einen hohen Stellenwert. Im Schnitt gibt es neun Azubis, und laut Geschäftsführer Eckel waren die Abschlussnoten der jungen Facharbeiter in den letzten Jahren erfreulich gut.
Technik zum Anfassen
In der Ausbildungswerkstatt steht ein alter Motor aus dem Jahr 1939, der immer noch funktionstüchtig ist und dem Nachwuchs als praktisches Anschauungsobjekt dient. Azubi Tammo Tiemens: „Das ist Technik zum Anfassen. Voll analog und ohne jede Elektronik.“
Ganz anders ist es bei der Korvette, an der seine älteren Kollegen unterdessen im Dock arbeiten. Die 89 Meter lange „Braunschweig“ ist eines der modernsten Schiffe der Bundeswehr und war 2018 mehrere Monate im Mittelmeer unterwegs. Nun liegt sie zur turnusmäßigen Instandhaltung in Emden.
Jahrzehntelange Erfahrung mit Marineschiffen
„In diesem Bereich haben wir eine besondere Expertise“, sagt Werftchef Eckel. „Hier in Emden wurden über viele Jahrzehnte zahlreiche Marineschiffe und U-Boote neu gebaut, umgebaut und repariert. Auf Basis dieser Erfahrung sind wir in der Lage, Reparaturarbeiten an den komplexesten Marineschiffen durchzuführen.“
Dabei profitiert das Unternehmen auch von der Ausstattung, die es auf seinem Werkgelände hat. Auf einer Fläche von rund 100.000 Quadratmetern stehen ein Trockendock, zwei Schwimmdocks sowie gezeitenunabhängige Kaianlagen mit einer Gesamtlänge von 1,5 Kilometern zur Verfügung.
„Flying Squads“ für kurzfristige Einsätze
Dadurch ist EWD in der Lage, auch größerere Schiffe zeitgleich instand zu setzen. Schiffe etwa wie die 179 Meter lange Fähre „Pride of Canterbury“, die Anfang 2019 innerhalb von zehn Tagen im Dock überholt wurde. Kurz darauf traf das baugleiche Schwesterschiff „Pride of Kent“ ein, das ebenfalls ein umfangreiches Refit erhielt.
Daneben gibt es einen mobilen Service, die „Flying Squad“. Das ist ein Team mit zwei bis vier Spezialisten, die bei Bedarf auch kurzfristig mit dem Flugzeug anreisen, um Reparaturen vor Ort durchzuführen.
Auch Schiffe müssen regelmäßig zur „Tüv“-Untersuchung
Ein stationärer Auftrag dagegen ist die „Klassenerneuerung“ des Forschungsschiffs „Maria S. Merian“, die derzeit bei EWD stattfindet. Eckel: „Das entspricht in etwa der Tüv-Untersuchung, die Sie von Ihrem Auto kennen. Die große Klassenerneuerung wird alle fünf Jahre fällig und stellt sicher, dass der Zustand des Schiffes regelmäßig untersucht wird.“
Bei der „Maria S. Merian“ wird unter anderem der Anstrich des Rumpfs erneuert, außerdem soll einer der Hauptantriebe ausgetauscht werden. Im Anschluss an den Werftaufenthalt in Emden geht es dann auf eine Transit- und Probefahrt nach Las Palmas in Spanien.
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
Alle Beiträge des Autors