Die „Spardosenrallye“ der Lübecker Firma Mankenberg erfreut sich größter Beliebtheit bei Schülern und Lehrern. Nun stand das 150. Jubiläum an
Wie schafft man es als mittelständischer Arbeitgeber, Jugendliche anzusprechen und sich im Wettbewerb um den Nachwuchs zu behaupten? Der Ventilhersteller Mankenberg, der am Stadtrand von Lübeck sitzt und derzeit etwa 190 Mitarbeiter hat, fand auf diese Frage schon früh eine smarte Antwort: Er entwickelte eine „Spardosenrallye“ für Schüler, die seit 15 Jahren regelmäßig stattfindet.
Klassische Azubiwerbung erreicht die Zielgruppe nicht mehr
Bis 2005 hatte es bei Mankenberg nur die klassischen Betriebsführungen gegeben, die auch andere Firmen anbieten. „War gut gemeint“, so Geschäftsführer Axel Weidner, „hat aber nicht funktioniert. Es zeigte sich schnell, dass man Jugendliche damit kaum begeistern kann. Sie verstehen nicht wirklich, was wir hier tun, wenn ältere Menschen ihnen den Laden theoretisch erklären – da springt kein Funke über.“
So entstand die Idee einer Rallye, bei der die Schüler von Azubis durch das Unternehmen geführt werden, also von fast Gleichaltrigen, die ihre Sprache sprechen und ihre Bedürfnisse kennen.
Dabei können die Jugendlichen ihr handwerkliches Geschick erproben und erste Erfahrungen in praktischer Arbeit sammeln. Denn auf dem Weg durch die Produktion bauen sie eine Spardose aus Metall zusammen, die sie am Ende mit ihrem Namen beschriften und mit nach Hause nehmen dürfen.
Das Konzept ist ein Volltreffer – für Jugendliche und Lehrer
Die ungewöhnliche Idee funktioniert, und zwar so gut, dass nun bereits die 150. Ausgabe der Spardosenrallye ansteht. Zu Gast ist diesmal eine neunte Klasse, die von einer örtlichen Gemeinschaftsschule kommt und von Lehrerin Susan Vopel begleitet wird. Zur Begrüßung gibt es für die 18 Schülerinnen und Schüler erst mal Marzipan – klar, wir sind ja schließlich in Lübeck. Dann stellen sich die Azubis vor, die heute den Tag gestalten. Alle vier sind im zweiten Ausbildungsjahr und bestens vorbereitet.
Eine junge Frau ist dabei, Vanessa Bergman, die bei Mankenberg Industriekauffrau lernt. Sie zeigt den Schülern zunächst eine kurze Präsentation und erklärt gemeinsam mit ihren Kollegen, was die Firma eigentlich macht.
Der Familienbetrieb besteht seit 1885, erfahren die Schüler, und der Chef Axel Weidner ist ein Urenkel von Firmengründer Gustav Mankenberg. Rund 2.000 verschiedene Ventile sind im Angebot, und Einzelanfertigungen sind kein Problem. Das Vierer-Team macht einen guten Job, die jungen Zuhörer sitzen brav auf ihren Stühlen und hören zu. Kein Smartphone bimmelt. Die Lehrerin staunt.
Spannender Einblick in die Praxis
Nach diesem theoretischen Teil folgt die Praxis. Die Schüler werden in Gruppen aufgeteilt und von Vanessa und ihren Kollegen Jonathan Dingel, Lukas Becker und Heger Sare durch die Produktion geführt.
Viele von ihnen sind offenbar zum ersten Mal in einem Industriebetrieb, daher gibt es eine Menge Fragen. Die werden ausführlich beantwortet, teilweise von den vier Azubis, teilweise aber auch von den Mitarbeitern, die an der jeweiligen Station beschäftigt sind.
Auch die Schülerinnen zeigen großes Interesse an den technischen Prozessen. Eine 16-Jährige beobachtet fasziniert, wie auf der Drehbank ein Werkstück entsteht. „Da könnte man stundenlang zuschauen“, sagt sie. „Bisher hatte ich mir Metallbearbeitung ganz anders vorgestellt. Viel lauter und irgendwie auch schmutziger.“
Aus Schülern werden Praktikanten und Azubis
Ihre Mitschüler sind unterdessen schon dabei, mit einer Stückliste die Teile einzusammeln, aus denen am Ende eine Spardose entstehen soll. Die Produktion läuft derweil ganz normal weiter; die Mitarbeiter kennen das Prozedere bereits und beantworten geduldig jede Frage.
Einige von ihnen sind selber über die Spardosenrallye in den Betrieb gekommen, da sie nach ihrem Schulabschluss eine Ausbildung bei Mankenberg absolviert haben. Und wer hier gelernt hat, erzählt Oliver Studier, „der bleibt in der Regel auch, denn das Betriebsklima ist prima und die Arbeit macht Spaß“.
Studier muss es wissen, er ist seit 1983 dabei und arbeitet im Prüfstand, wo jedes Ventil akribisch getestet wird. Jetzt sitzt er an der Gravurmaschine, mit der die fertigen Spardosen für die Teilnehmer beschriftet werden.
Eine der Schülerinnen möchte, dass auf ihr Gehäuse „Chicken- Kasse“ eingraviert wird. „Nein, kein Scherz“, sagt sie und lacht, als Studier kurz stutzt. „Das soll da wirklich drauf, denn mein Name ist Huhn. Franca Huhn ...“
Als die Schüler nach ihrem Rundgang wieder im großen Konferenzraum sitzen, gibt es für alle noch ein Quiz mit Fragen zur Firma und ihren Produkten. Und offenbar haben die Schüler gut zugehört, denn alle Fragen werden beantwortet. Die Azubis sind zufrieden.
Auch die allgemeine Bilanz der Spardosenrallye kann sich sehen lassen. Seit der Premiere im Oktober 2005 haben über 3.000 Jugendliche aus 18 Schulen teilgenommen. Geschäftsführer Weidner hatte wohl den richtigen Riecher. Die Idee funktioniert ...
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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