Bekommt Deutschland einen Weltraumbahnhof? Wenn es nach Dieter Kempf geht, könnte es bald so weit sein, denn der Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI) hatte kürzlich angeregt, das nationale Raumfahrtbudget zu erhöhen und den Bau eines privaten Raketenstartplatzes in Deutschland zu ermöglichen.
Als Standorte schlug er die Flughäfen Nordholz nördlich von Bremen und Rostock-Laage in Mecklenburg-Vorpommern vor. Eine überraschende Idee, aber bei Wirtschaftsminister Peter Altmaier traf er damit auf offene Ohren.
Eine Physikerin leitet das Projekt
Ob und wann diese Pläne umgesetzt werden, ist derzeit noch ungewiss – fest steht aber, dass beim nächsten Aufbruch ins All Technik aus Deutschland dabei sein wird.
Genauer gesagt: aus Norddeutschland, denn die Hansestadt Bremen hat sich mittlerweile zu einem der wichtigsten Raumfahrtstandorte der Welt entwickelt. Hier haben beispielsweise 200 Ingenieure des Raumfahrtkonzerns Airbus Defence & Space das europäische Servicemodul (ESM) für das US-Raumschiff „Orion“ gebaut, das 2024 erneut Astronauten auf den Mond bringen soll. Das ESM ist die Kraftzentrale des Raumschiffs, versorgt es mit Energie und Sauerstoff und dient als „Lager“ für Wasser und Treibstoff.
Der erste Mond-Aufenthalt dauerte nur 22 Stunden
Damit die Raumfahrer künftig dauerhaft auf dem Mond und später auf dem Mars arbeiten können, hat ein Team um die Geophysikerin Christiane Heinicke vom Bremer Zentrum für Angewandte Raumfahrttechnologie und Mikrogravitation (ZARM) ein sogenanntes Habitat konstruiert – eine kleine Siedlung, die aus sechs Wohn- und Arbeitsmodulen besteht.
Sie sollen ermöglichen, dass die Astronauten erheblich länger auf dem Mond bleiben können als ihre Vorgänger Neil Armstrong und Edwin „Buzz“ Aldrin. Die hatten 1969 als erste Menschen den Erdtrabanten betreten, mussten aber bereits nach 22 Stunden Aufenthalt im „Meer der Ruhe“ wieder die Rückreise antreten.
Aggressive Weltraumstrahlung und Meteoriteneinschläge
Das von den Bremer Architekten, Ingenieuren, Wissenschaftlern und Handwerkern im Rahmen des Projekts „MaMBA“ (Moon and Mars Base Analog) entwickelte Habitat besteht aus zylinderförmigen Modulen, die untereinander verbunden sind und über zwei Luftschleusen einen Ausgang nach draußen bieten. Wichtigster Zweck des Habitats ist der Schutz seiner Bewohner vor den lebensfeindlichen Umgebungsbedingungen im Weltall.
Die in Bremen entwickelte Weltraumstation macht längere Missionen möglich
„Dazu gehören der niedrige Umgebungsdruck, eine extrem aggressive Weltraumstrahlung und Meteoriteneinschläge“, zählt Heinicke auf. Deshalb wird die Station nach den Plänen ihrer Erbauer auch unter meterdickem Mondgestein vergraben werden müssen. „Nur so können wir einen dauerhaften Schutz vor der Weltraumstrahlung und der Strahlungsintensität von immer wieder auftretenden Sonnenstürmen gewährleisten“, sagt die Geophysikerin.
Aufbereitung von Luft und Wasser
Zudem muss die Mond- und Mars-Station lebenswichtige Ressourcen wie Atemluft und Wasser wiederaufbereiten können. Auch dazu wurde am ZARM ausgiebig geforscht.
Eines der sechs Module, eine Laboreinheit, hat das ZARM-Team in zweijähriger Arbeit im 1:1-Modell aufgebaut. Der silbern glänzende Zylinder ist knapp sieben Meter hoch und hat einen Durchmesser von fünf Metern. Sein Inneres ist zweigeteilt. Der untere Abschnitt bietet Platz für ein Forschungslabor, der obere Teil ist als Lager geplant. Im Labor können bis zu vier Personen gleichzeitig arbeiten.
Erste Tests verliefen sehr positiv
Um herauszufinden, ob das auch klappt und ob sich die Forscher nicht gegenseitig „auf den Füßen stehen“, haben zwei Wissenschaftlerteams für jeweils eine Woche das Labor auf Herz und Nieren geprüft.
„Anfangs waren wir skeptisch, ob wir mit der begrenzten Fläche und den auf verschiedenen Ebenen stehenden Geräten effektiv arbeiten können“, resümiert die Geophysikerin, „aber es klappt sehr gut.“
Die Habitat-Crew soll sich wohlfühlen
Das von der Klaus-Tschira-Stiftung mit 380.000 Euro geförderte Projekt ist nicht das erste, das sich mit menschlichem Leben auf anderen Planeten beschäftigt. Schon vorher gab es einige Forschungsprojekte dieser Art.
Deren Schwerpunkt lag in der Regel aber auf psychologischen Erkenntnissen, die sich durch das Zusammenleben mehrerer Menschen auf engem Raum ergeben. Auch Christiane Heinicke selbst hatte an einem solchen Mars-Projekt (HI-SEAS) teilgenommen und ein Jahr lang gemeinsam mit fünf weiteren Kollegen völlig isoliert in einer Forschungsstation auf Hawaii verbracht.
Aus diesem Projekt brachte sie unter anderem die Erkenntnis mit, dass die Gemeinschafts- und Aufenthaltsräume eine Höhe von rund fünf Metern haben sollten – um der Crew das Gefühl von mehr Raum zu geben.
Zur Person: Christiane Heinicke
Die aus Sachsen-Anhalt stammende Wissenschaftlerin studierte technische Physik an der TU Ilmenau und Geophysik an der Uni von Uppsala (Schweden). 2013 promovierte sie im Fach Magnetohydrodynamik, und 2015 wurde sie von der Nasa als einzige Deutsche für das HI-SEAS- Projekt auf einem Vulkan auf Hawaii ausgewählt. Die heute 34-Jährige gibt Neugier als ihren inneren Motor an. Würde sie auch mit auf Mars-Mission gehen? Heinicke zögert nicht: „Klar, wenn man mich fragt.“
Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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