„They never come back“ galt lange als eiserne Regel im Boxsport – bis zum legendären „Rumble in the Jungle“ 1974, als Muhammad Ali sich den Weltmeistergürtel von George Foreman zurückholte. Ein gelungenes Comeback gab es nun auch für die Lange der Nacht der Industrie in Bremen, die wegen Corona und anderer Umstände einige Jahre pausieren musste und nun erstmals wieder stattfand.
Wie gut das Angebot von den Bremern angenommen wurde, zeigte sich unter anderem bei Thermo Fisher Scientific, einem der acht Unternehmen, die ihre Hallen für die Besucher geöffnet hatten. Als die Teilnehmer am Ende der Tour am Flipchart um ihr Feedback gebeten wurden, klebten fast alle bunten Punkte am Ende unter dem „Sehr zufrieden“-Smiley.
Rund 80 Interessierte hatten an diesem Abend die Gelegenheit genutzt, den Spezialisten für Massenspektrometer zu besuchen, darunter auch Jenny Schomaker. Die Personalerin eines großen Industriebetriebs in der Hansestadt war sehr angetan: „Ich wollte erfahren, was andere Unternehmen so machen. Das ist wirklich gelungen. Es war ein toller Abend.“
Einmaliger Blick hinter die Kulissen
Rundum zufrieden waren auch die Veranstalter der Langen Nacht. Ihr Konzept ist einfach, aber wirkungsvoll: Unternehmen öffnen ihre Türen für Schüler und Studierende, Ausbildungsplatz- und Arbeitssuchende, aber auch für Anwohner und interessierte Bürger. So ermöglichen sie spannende Einblicke hinter die Kulissen ihres Betriebs und können sich als attraktive Arbeitgeber präsentieren.
Das Format gibt es seit 2008. Es wurde jährlich fortgeführt – nicht nur in Bremen, sondern auch in Hamburg, Nordrhein-Westfalen und anderen Regionen. Dann kam die Coronapandemie und beendete die erfolgreiche Reihe vorerst – bis sie jetzt neu aufgelegt wurde. Unterstützt vom Arbeitgeberverband Nordmetall, den Unternehmensverbänden im Land Bremen und der IHK gelang Anfang Oktober in Bremen der Neustart.
Die acht Betriebe aus der Hansestadt und dem Umland empfingen rund 400 Gäste. Diese fuhren – aufgeteilt auf acht Busse und ebenso viele Touren – die Unternehmen an. Dabei besuchte eine Gruppe immer je zwei Unternehmen.
Einige Betriebe sind zum ersten Mal dabei, andere haben schon mehrfach teilgenommen. Letzteres gilt auch für Thermo Fisher Scientific. Die Firma ist Teil des US-Konzerns Thermo Fisher, der mit 120.000 Mitarbeitern und rund einer Million Produkten zu den weltweit führenden Anbietern von Laboranalytik, Diagnostik und Bioproduktion gehört. An der Weser entwickeln und bauen rund 600 Beschäftigte Massenspektrometer.
Attraktive Chancen für Fachkräfte
Geschäftsführer Thomas Möhring ist stolz darauf, dass die Produkte seines Unternehmens die Welt gesünder, sauberer und sicherer machen. Am Standort Bremen, sagt er, blicke man auf eine mehr als 75-jährige Tradition zurück. Zur Verstärkung der Belegschaft suche man regelmäßig neue Kolleginnen und Kollegen. Deshalb betont auch Personalleiter Daniel Rosin: „Bewerben Sie sich gerne bei uns!“
Auch Hydro Extrusion in Achim unweit von Bremen nutzt die Lange Nacht, um Nachwuchs- und Fachkräfte anzusprechen. „Uns ist es sehr wichtig, an dem Format teilzunehmen, denn wir sind ein typischer B2B-Anbieter. Die meisten Menschen kennen uns nicht, obwohl sie täglich mit unseren Produkten in Berührung kommen. Mit Events wie diesem machen wir uns als Arbeitgeber und Ausbildungsbetrieb bekannter“, sagt Geschäftsführer Ralf Liedtke.
Der Betrieb gehört zum europäischen Alu-Marktführer Norsk Hydro, einem weltweit aktiven Konzern mit 32.000 Mitarbeitern an 140 Standorten. In Achim verarbeiten 240 Beschäftigte jährlich rund 22.000 Tonnen Aluminium zu Profilen. Diese finden unter anderem Einsatz in Möbeln und Wintergärten, in der Bau- und Solarbranche, im Maschinenbau und im Automotive-Bereich.
Vater und Tochter als Team dabei
Die 15-jährige Amelie Steuer ist hier mit ihrem Vater Christian zu Besuch. Sie nimmt zum ersten Mal an der Langen Nacht teil. Den Abend bei Hydro findet sie „echt interessant“. Ob sie sich vorstellen kann, hier mal zu arbeiten? So weit sei sie noch nicht, zunächst müsse sie die Schule beenden.
Auf einen echten Mehrwert des Abends weist eine andere Besucherin hin. „Meine Freundin und ich sind mit unseren Söhnen hier“, verrät sie. „Die Jungs gehen in die Oberstufe und können hier erfahren, warum sie in der Schule Mathe und andere MINT-Fächer lernen müssen.“
Während es in Uphusen um Aluminium geht, informiert ein paar Kilometer weiter in Oyten die Firma CHT Germany über chemische Prozesse. Der Betrieb stellt Spezialchemikalien wie Silikon und Additive her. Werkleiter Thilo Rönspieß: „Ich kenne das Format aus früheren Zeiten und fand es immer schon gut. Wir haben nichts zu verstecken, im Gegenteil, wir wollen viel mehr in die Öffentlichkeit. Dafür ist die Lange Nacht ideal.“
Seine Belegschaft sieht es offenbar ähnlich. Rönspieß: „Die Aktion hat bei uns einen echten Motivationsboost ausgelöst. Etliche Beschäftigte haben sich als Tourguides zur Verfügung gestellt.“
Ein paar Kilometer weiter, in Bremen-Hemelingen, heißt ein Unternehmen mit 110-jähriger Geschichte die Gäste willkommen: die Lloyd Dynamo Werke (LDW). Etwa 130 Mitarbeiter bauen hier Dreh- und Gleichstrommotoren. Azubis und einige ältere Mitarbeiter, die teilweise seit Jahrzehnten im Betrieb sind, führen die Teilnehmer durchs Werk.
Elektromotoren mit einem Gewicht von 70 Tonnen
So erfahren die Gäste, dass die bis zu 70 Tonnen schweren Motoren Sonderanfertigungen sind und unter anderem in Kreuzfahrtschiffen, in Kränen auf Containerterminals und Energieversorgungsunternehmen Einsatz finden.
Ein Energieversorger arbeitet gleich nebenan und hat an diesem Abend ebenfalls seine Türen geöffnet: die SWB AG. Hier können die Besucher sowohl das frühere Kohlekraftwerk, das 2024 stillgelegt wurde, als auch das neue Blockheizkraftwerk besichtigen.
Mit einer Schiffsbrückensimulation durch den Hafen schippern die Gäste bei Rheinmetall Electronics. Das Unternehmen gehört zur Division Electronic Solutions des Rheinmetall-Konzerns und ist seit Jahrzehnten Partner für zivile Auftraggeber, Sicherheitsbehörden und Streitkräfte.
Einige Termine für 2026 stehen bereits fest
Zum Leistungsspektrum zählen unter anderem Aufklärungs- und Feuerleitsysteme, Soldaten- und Führungssysteme und stabilisierte Waffenplattformen. Auch digitale Trainings- und Simulationsanwendungen gehören zum Portfolio des Unternehmens.
Wie Abfälle sortiert werden, zeigt die Nehlsen AG, eines der führenden Entsorgungs- und Umweltunternehmen im Nordwesten. Es hat für die Lange Nacht eine der modernsten Sortieranlagen Europas für den Gelben Sack und die Wertstofftonne geöffnet.
Zeppelin Power Systems in Achim schließlich, Vertriebspartner für Caterpillar-Motoren, präsentiert den Besuchern das gesamte Spektrum seiner Aktivitäten: Motoreninstandsetzung, Lagerhaltung und einen Prüfstand, auf dem Motoren und Container getestet werden können. Letzte Station des Rundgangs ist ein Brennstoffzellen-Stromerzeuger, der erst in diesem Jahr offiziell eingeweiht wurde.
Gegen 22.30 Uhr sind die Touren beendet, aber für die Organisatoren beginnt schon tags drauf die Vorbereitung fürs nächste Jahr. Am 9. Juni 2026 soll die Lange Nacht der Industrie zeitgleich in Schleswig-Holstein und Hamburg stattfinden und auch für die Region Bremen wird bereits ein Termin sondiert.
Unter langenachtderindustrie.de gibt es weitere Informationen zur Anmeldung und zum Programm.

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.
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