Die Weltlage ist ernst, die Lage der deutschen Wirtschaft ebenfalls. Angesichts dieser düsteren Aussichten ist es ein Lichtblick, dass sich Union und SPD in Berlin endlich auf einen Koalitionsvertrag geeinigt haben. Keine Liebesheirat, aber eine Verantwortungsgemeinschaft, die aus dem Wahlergebnis das Beste zu machen versucht.
Deutschland braucht jetzt eine handlungsfähige Regierung, die im Konzert der Europäer und im engen Schulterschluss mit Frankreich Führung übernimmt, um aus einer Position der Stärke Vernunft und Augenmaß in der Weltpolitik einzufordern. Eine solche Verantwortungsgemeinschaft ist auch auf europäischer Ebene dringend nötig – und kann jetzt vom Kanzler geschmiedet werden.
Aber reicht das Vereinbarte, um in Deutschland die versprochene Wirtschaftswende auf den Weg zu bringen? Ja und nein.
Dass Abschreibungsregeln attraktiver werden und die Körperschaftsteuer sinken soll, ist gut für Unternehmen – dass Letzteres erst 2028 in Trippelschritten beginnen soll, ist schlecht. Dass mittlere und kleine Einkommensbezieher sowie Investoren wohl steuerlich entlastet werden, ist gut – dass der Solidaritätszuschlag für hohe Einkommen bleibt, ist schlecht, weil das vor allem Familienunternehmer belastet.
Dass die Aktivrente kommt, ist hilfreich; dass am überladenen Rentensystem nichts geändert wird, ist unverantwortlich. Je stärker die 40-Prozent-Grenze für Sozialabgaben gerissen wird, desto teurer und gefährdeter werden Arbeitsplätze in Deutschland. Und dass die Koalition mit Mindestlohn und Vergabegesetz die Axt an die Tarifautonomie legt, die sie zu schützen und stärken vorgibt, ist unverzeihlich.
Aber blicken wir nach vorn und geben wir der neuen Regierung eine Chance. Ihr Vertragswerk zielt in vielen Punkten in die richtige Richtung, auch wenn viele dieser Absichtserklärungen erst einmal unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Und immerhin: In dieser ernsten Welt- und Wirtschaftslage bedeutet es schon etwas, eine funktionierende Demokratie zu erleben, in der sich die Parteien der Mitte zusammenraufen und auf Notwendiges verständigen. Möge dieser Geist vier Jahre lang tragen.
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