Noch existiert es nur auf dem Papier und im Computer. Doch schon in zwei Jahren soll das Forschungsschiff, das das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bei der Bremerhavener Lloyd Werft in Auftrag gegeben hat, auf der Nord- und Ostsee kreuzen.

Bis dahin aber liegt noch jede Menge Arbeit vor den Schiffbauern in Bremerhaven und bei der Flensburger Schwesterfirma FSG. Den Gesamtentwurf für das Schiff hat das DLR zusammen mit dem Hamburger Ingenieurbüro SDC Ship Design & Consult entwickelt. „Darauf basierend konstruieren wir nun den Schiffskörper und beschäftigen uns intensiv mit den Themen Antrieb, schiffbauliche Ausrüstung und Innenausbau“, erklärt Lloyd-Werft-Projektleiter Edzard Brünner.

„Zwischen Angebot und Beauftragung lagen nur wenige Monate.“ 

Edzard Brünner, Projektleiter

Der promovierte Schiffbauingenieur verweist nicht ohne einen gewissen Stolz darauf, dass die Bremerhavener Spezialwerft den Auftrag des DLR-Instituts für Maritime Energiesysteme in Geesthacht und Kiel innerhalb kurzer Zeit angeboten und auch erhalten hat. „Wir haben Anfang Oktober 2024 die Ausschreibungsunterlagen erhalten und schon am 3. Februar 2025 den Vertrag unterzeichnet“, so Brünner.

Ein schwimmender Motorversuchsstand

Das Schiff wird einen Tiefgang von 3,2 Metern, eine Breite von elf Metern und eine Länge von 48 Metern haben. Das Besondere an dem 36-Millionen-Euro-Neubau: Er ist ein schwimmender Motorversuchsstand, eine Plattform zum Test verschiedener kohlenstoffarmer und klimafreundlicher Schiffsantriebe.

Das DLR will an Bord neue und klimaneutrale Antriebsvarianten unter realistischen Einsatzbedingungen testen. „Geplant ist, Energieträger wie Ammoniak, Wasserstoff oder LNG, also Flüssiggas, zu erproben“, sagt Brünner.

Die Struktur des Schiffs wird von den Konstrukteuren in Flensburg zur Produktionsreife entwickelt, dann wird ein computerbasiertes 3D-Modell aufgebaut, in dem später alle Konstruktionsdisziplinen arbeiten. Brünner: „Nun konstruieren wir gemeinsam weiter und kümmern uns um alles andere wie die schiffbauliche Ausrüstung, zum Beispiel Decksaufbauten, Poller, Kräne und Ankerwinden.“ Motoren, Generatoren und Propeller werden zugekauft, ebenso Rettungsboote inklusive Davits, also Aussetzvorrichtungen.

Computer statt Zeichenbrett

Insgesamt arbeiten zurzeit etwa 25 Designer, Konstrukteure und Schiffbauingenieure an beiden Standorten am Schiffskörper. So sind in der Stahlkonstruktion täglich bis zu sechs Spezialisten damit beschäftigt, den Ausgangsentwurf des Ingenieurbüros mithilfe eines Konstruktionsprogramms in ein realisierbares Modell umzusetzen.

„Wir haben das gesamte Schiff in Einzelsektionen aufgeteilt und arbeiten diese ab“, berichtet Schiffbauingenieur Frederik Zink. Am Monitor seines Rechners hat er gerade das Schiff aufgerufen; Decks, Aufbauten, Türen und Fenster sind zu erkennen, ebenso Spanten und viele weitere Details. Mit der Maus verschiebt Zink den Schiffskörper in jede beliebige Richtung.

„Schiffbau ist Teamarbeit,
eine enge Abstimmung
ist die Basis unserer Arbeit.“ 

Frederik Zink, Schiffbauingenieur

Manche Teile sind rot eingefärbt. „Die sind noch nicht mit den endgültigen Daten wie Länge, Breite, Biegung oder Stärke hinterlegt“, sagt er. „Es ist jetzt unsere Aufgabe, zu prüfen, ob das alles funktioniert, damit am Ende alle Teile problemlos ineinandergreifen.“

Über die wichtigsten Modifikationen, die der 25-jährige Schiffbauer vornimmt, setzt er seine Kollegen sofort ins Bild. „Schiffbau ist Teamarbeit“, sagt Zink. „Wenn ich ein Teil verändere, müssen das die Kollegen wissen, damit Doppelarbeit oder Fehler vermieden werden.“

Ende des Jahres steht der Brennstart an

Alle Arbeiten, die die Konstrukteure am 3D-Modell vornehmen, fließen in das Gesamtprogramm ein, das einmal täglich aktualisiert wird. So steht jedem Mitarbeiter zum Arbeitsbeginn der aktuelle Stand zur Verfügung. „Darüber hinaus setzen sich die Abteilungen standortübergreifend regelmäßig zusammen, um den Status quo und den Fortgang der Arbeiten abzuchecken“, sagt Projektchef Brünner.

Bis zum Winteranfang wollen die Konstrukteure so weit sein, dass die erste Stahlplatte in Flensburg gefertigt wird. Die Schiffbauer nennen das Brennstart. Darauf aufbauend wird dann in Flensburg Stück für Stück der Rumpf gefertigt.

Voraussichtlich im März 2026 erfolgt die Kiellegung, danach die Fertigstellung des Rumpfs, und im Sommer wird der Rohbau nach Bremerhaven geschleppt. Hier findet die Endausrüstung statt. Im Sommer 2027, so der Plan, soll das fertige Schiff dann an das DLR übergeben werden.

Bis dahin aber müssen die Konstrukteure noch Tausende Pläne, unter anderem für die Klassifikationsgesellschaft – den Tüv für Schiffe –, Detail- und Werkstattzeichnungen erstellen. Allein der Rohbau besteht aus über 23.500 Blechbauteilen und für jedes werden detailgenaue Datensätze erzeugt, mit denen die Brennmaschinen die Einzelteile aus großen Platten ausschneiden. Darüber hinaus werden auf Basis des Modells für die Mitarbeiter in der Fertigung Zeichnungen erstellt, anhand derer aus den Einzelteilen die Sektionen und Module zusammengebaut werden, sodass am Ende aus den Modulen auf der Helling ein Schiff entsteht.

Das Besondere am DLR-Projekt ist, dass die Lloyd Werft gewissermaßen vorausschauend Schiffsräume konzipieren muss, von denen sie heute nicht genau weiß, welche Anlagen in ihnen arbeiten werden.

Das Schiff hat einen digitalen Zwilling

Brünner: „Wir bauen ein Schiff, das von seinem Einsatzzweck her ein Multitalent wird, da es ja verschiedenste Antriebssysteme unter Realbedingungen testen soll. Natürlich müssen wir es dennoch mit allen notwendigen schiffsspezifischen Einheiten wie Ballastwassersystem, Klimaanlage und Kraftstoffversorgung ausrüsten.“

Der Testbetrieb bringe jedoch sicherheitstechnische Anforderungen mit sich, die das Schiff erfüllen muss. Brünner: „Also müssen wir vorausschauend planen und heute schon so bauen, dass solche Dinge später flexibel um- und nachrüstbar sind. Das betrifft beispielsweise explosionsgeschützte Räume.“

Wenn das Schiff ab Mitte 2026 im Bremerhavener Dock liegt, ist noch jede Menge zu erledigen – von Isolierarbeiten über die Elektrotechnik und den Maschinenbau bis hin zum Außenanstrich. Rund 200 bis 250 Menschen aus verschiedenen Gewerken werden dann am Schiff arbeiten. „Selbstverständlich nicht alle zur gleichen Zeit, sondern in vorher exakt festgelegten Abschnitten“, so Brünner.

Und noch etwas Besonderes hat sich der Auftraggeber gewünscht. „Wir liefern auch einen digitalen Zwilling ab, mit dem die Wissenschaftler Simulationen des Betriebs darstellen können“, sagt der Projektleiter.

Ist das Schiff übergeben, soll es mit bis zu 17 Personen an Bord Fahrten in Nord- und Ostsee absolvieren. Auch der Heimathafen steht schon fest: Schleswig-Holsteins Landeshauptstadt Kiel. Wir werden in einigen Monaten über die weiteren Baufortschritte berichten.

Die Lloyd Werft: Spezialbetrieb mit wechselvoller Geschichte

Die Lloyd Werft Bremerhaven wurde 1857 von der Reederei Norddeutscher Lloyd als Reparaturbetrieb für die eigene Dampfschiffflotte gegründet. Im 20. Jahrhundert entwickelte sie sich zu einem der wichtigsten Schiffbaubetriebe Deutschlands, baute zahlreiche große Passagier- und Frachtschiffe und konzentrierte sich vor allem ab den 1980er Jahren auf den Umbau und die Reparatur von Spezialschiffen. 

Die Werft ging in den 168 Jahren ihrer Geschichte durch einige Eigentümerwechsel und Krisen. Mit dem Zusammenbruch des asiatischen Konzerns Genting, der die Werft 2015 übernommen hatte, scheiterten Pläne zum Bau großer Kreuzfahrtschiffe. Nach der Insolvenz wurde der Betrieb 2022 von der Bremerhavener Rönner-Gruppe und dem Bauunternehmen Zech übernommen. Seit 2023 ist auch die Lürssen- Gruppe an der Werft beteiligt. Inzwischen gilt das Unternehmen mit rund 300 Mitarbeitern wieder als Spezialist für Umbauten, Großreparaturen und anspruchsvolle Neubauprojekte.

Breit gefächerter Industrieverbund 

Die Heinrich Rönner Gruppe (HR Group) mit Sitz in Bremerhaven ist ein familiengeführtes Unternehmen, das sich auf Stahl-, Industrieanlagen- und Schiffbau, Offshore- Windenergie sowie Logistik und Reederei spezialisiert hat. Mit rund 2.000 Mitarbeitern an 20 Betriebsund Produktionsstätten in Deutschland, verteilt auf acht Standorte, zählt sie zu den großen Playern der maritimen Branche. Anfang 2025 übernahm die Gruppe die insolvente FSG-Werft in Flensburg vom Investor Lars Windhorst.

Aktueller Blick in norddeutsche Betriebe

Empfohlener externer Inhalt: OpenStreetMap

Dieser Artikel wird an dieser Stelle durch einen externen Inhalt von OpenStreetMap bereichert, den unsere Redaktion ausgewählt hat. Bevor wir diesen Inhalt anzeigen, benötigen wir Ihre Einwilligung. Natürlich können Sie das Element eigenhändig wieder deaktivieren oder Ihre Cookies löschen.

Lothar Steckel
Autor

Als Geschäftsführer einer Bremer Kommunikationsagentur weiß Lothar Steckel, was Nordlichter bewegt. So berichtet er für aktiv seit mehr als drei Jahrzehnten vor allem über die Metall- und Elektro-Industrie, Logistik- und Hafenwirtschaft, aber auch über Kultur- und Freizeitthemen in den fünf norddeutschen Bundesländern.

Alle Beiträge des Autors