Wenige Tage vor dem Weihnachtsfest 2024 gab es für die Kieler Werft Thyssenkrupp Marine Systems (TKMS) eine Bescherung ganz besonderer Art. Der Haushaltsausschuss des Bundestags bewilligte den Bau von vier weiteren U-Booten der Klasse 212CD für die Deutsche Marine. Das Auftragsvolumen für diese vier Exemplare wird auf insgesamt rund 4,7 Milliarden Euro veranschlagt.
Aber das ist noch nicht alles. Es gibt Anzeichen dafür, dass die norwegische Marine, die bereits vier U-Boote dieses Typs im Wert von rund 4,5 Milliarden Euro gekauft hatte, voraussichtlich zwei weitere Exemplare ordern will. Sollte sich das bestätigen, stiege das Gesamtvolumen auf rund 7,5 Milliarden Euro.
„Die Zeitenwende kommt nun endlich auch im maritimen Sektor an“
Oliver Burkhard, CEO TKMS
Der Haushaltsausschuss gab zeitgleich noch zwei weitere Projekte frei. Zum einen bewilligte er eine Summe von 890 Millionen Euro für den Bau des Forschungsschiffs „Polarstern 2“, das künftig für die Arktis- und Klimaforschung eingesetzt werden soll. Zum anderen beschlossen die Abgeordneten die Annahme einer 25-Millionen-Euro-Vorlage, die im Zusammenhang mit der neuen Fregatte der Klasse 127 steht.
Jede Menge neue Arbeitsplätze geplant
Die Summe wirkt auf den ersten Blick klein, aber die Bedeutung ist groß, denn nach Einschätzung von Insidern gaben die Haushälter mit ihrem Beschluss das Startsignal für die Beschaffung der hochmodernen Fregatten. Damit wäre sichergestellt, dass das geplante Gemeinschaftsunternehmen von TKMS und NVL (Naval Vessels Lürssen) bald seine Arbeit aufnehmen kann.
Die Nachricht von dem U-Boot-Deal sorgte insbesondere in Wismar für große Freude, denn hier will TKMS nun kräftig investieren. CEO Oliver Burkhard hat große Pläne für den Standort, den das Kieler Unternehmen 2022 von den insolventen MV-Werften übernommen hatte.
„Die Zeitenwende kommt nun endlich auch im maritimen Sektor an“, so Burkhard. „Wir haben immer gesagt: Wenn die Aufträge kommen, dann geht’s los. Nun sind die Aufträge da und jetzt geht’s auch los.“
TKMS will in den kommenden Jahren über 200 Millionen Euro investieren und Wismar zügig zu einem U-Boot-Standort ausbauen, um die Aufträge fristgemäß abwickeln zu können. Nach Angaben des Unternehmens könnten hier bei voller Auslastung bis zu 1.500 neue Arbeitsplätze entstehen.
„Die Menschen, die zu uns kommen, können davon ausgehen, dass sie sehr lange bei uns bleiben können“, sagte Burkhard. Man biete gute Konditionen, Tariflöhne und eine gelebte Sozialpartnerschaft.
U-Boote mit einer Länge von 73 Metern
Die U-Boote der Klasse 212CD sind mit einer Länge von 73 Metern deutlich größer als die aktuell im Dienst befindlichen Modelle der alten Baureihe, die nur 56 Meter lang sind. Sie sind weniger leicht zu orten und verfügen über hoch entwickelte Fähigkeiten im Bereich Lagebilderstellung und eine erweiterte Vernetzbarkeit mit verbündeten Einheiten.
Damit stellen sie nicht nur aufgrund ihrer Größe neue Anforderungen an die Produktion, sondern erfordern auch modernste Fertigungslinien für die schiffbauliche Ausrüstung mit hochtechnologischen Systemen.
Das Werftgelände in Wismar ist für dieses Vorhaben bestens geeignet, denn hier wurde noch vor wenigen Jahren kräftig investiert. Der asiatische Tourismuskonzern Genting Hong Kong, der mit MV Werften große Pläne hatte, baute die drei Werft-Standorte Wismar, Rostock und Stralsund massiv aus und stellte dafür einige Hundert Millionen Euro zur Verfügung.
Davon profitierte vor allem Wismar. Unter anderem wurden die Kaianlagen komplett erneuert und ein 125 Meter hoher Kran errichtet. Außerdem entstand dort eine Schiffbau-Halle mit einer Länge von rund 400 Metern und mehr als 20.000 Quadratmeter Fläche. In ihrem Inneren wurde eine semiautomatische Paneel-Linie installiert, die nach Angaben von MV Werften zu den modernsten Schweißanlagen der Welt zählte.
Schiff für die Klima- und Polarforschung
In Wismar soll auch das neue Forschungsschiff „Polarstern 2″ gebaut werden, für das der Haushaltsausschuss des Bundestags die erforderlichen finanziellen Mittel bereitgestellt hat. Hinter dem Auftrag stehen das Alfred-Wegener-Institut (AWI) sowie das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF); die Auftragserteilung erfolgte über ein europaweites Vergabeverfahren.
Forschungsminister Cem Özdemir begrüßte die Entscheidung und sagte: „Ich freue mich sehr, dass das Schiff voraussichtlich Ende der Dekade in den Dienst der Polar- und Meeresforschung gestellt werden kann.“ Schon der Vorgänger, die „Polarstern 1“, habe essenzielle Erkenntnisse in der Erforschung der Folgen des Klimawandels für das Polarmeer und andere Teile der Erde geliefert. „Auf diese Daten“, so Özdemir, „können wir nicht verzichten, wenn wir den Klimawandel verstehen wollen.“
„Die neue Fregatte ist ein Schlüsselprojekt für den Schiffbau in Deutschland“
Friedrich Lürssen, NVL-Gesellschafter
Die neue „Polarstern“ wird das Flaggschiff der deutschen Klimaforschung. Mit einer Länge von rund 160 Metern bietet sie ausreichend Platz für bis zu 60 Wissenschaftler und 50 Crewmitglieder. Für die Erforschung der Polarregionen stehen hochmoderne Labore und Forschungstechnik zur Verfügung.
Kooperation von TKMS und NVL
Mit hochmoderner Technik ausgestattet ist auch die Fregatte 127, die von TKMS und NVL gebaut werden soll, sobald die erforderlichen Mittel bewilligt werden. Der Vertrag für die vereinbarte Kooperation wurde im Herbst 2024 auf der Hamburger Schiffsmesse SMM von TKMS-CEO Oliver Burkhard und NVL-Gesellschafter Friedrich Lürssen unterzeichnet.
Als Hauptgesellschafter des Joint Ventures wird TKMS eine führende Rolle bei der Entwicklung und Produktion der Fregatte spielen, während NVL seine umfangreichen Fertigungskapazitäten und seine langjährige Erfahrung im Bau von Marineschiffen in die Kooperation einbringen wird. Die genaue Struktur der Arbeitspakete muss noch festgelegt werden.
Nach aktuellem Stand sollen die Schiffe unter anderem von TKMS in Wismar sowie von NVL in Hamburg und Wolgast gebaut werden. Die Deutsche Marine will das erste Schiff im Jahr 2034 einsatzbereit machen. Voraussetzung dafür ist, dass die Bestellungen zeitnah eingehen.
Schiffbau in Wismar
- 1946 wurde in Wismar ein Schiffsreparaturwerk der Roten Armee gegründet, das später an die deutsche Landesverwaltung überging. Danach erlebte die Werft zahlreiche Eigentümer- und Strategiewechsel.
- Ab März 2016 gehörte der Betrieb zum malaysisch-chinesischen Konzern Genting Hong Kong, der hier mit den MV Werften große Kreuzfahrtschiffe bauen wollte.
- 2020 begann die Coronapandemie, die diese Pläne scheitern ließ. Es folgte die Insolvenz von Genting und MV Werften.
- Seit 2022 ist die Wismarer Werft ein Standort von TKMS.
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Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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