Als 2011 in Japan das Atomkraftwerk Fukushima explodierte und in Deutschland eine Diskussion über die Energiewende begann, war man in Friesland längst einen Schritt weiter. Dort hatte der landwirtschaftliche Unternehmer Karl-Georg Graf von Wedel in der Gemeinde Sande bereits Ende der 90er Jahre einen Windpark errichtet und nun folgte mit dem „Repowering“ der nächste Schritt – die installierten Windturbinen wurden sukzessive durch neue Modelle mit höheren Leistungswerten ersetzt.
Nach dem jüngsten Austausch im Jahr 2017 stehen in dem Windpark neben der Autobahn A 29 heute acht Anlagen, fünf von Enercon und drei von Vestas, die eine Gesamtleistung von 22,3 Megawatt haben. Allein damit könnte man rechnerisch mehr als 11.000 Haushalte mit Ökostrom versorgen.
Kombinierte Nutzung von Wind und Sonne
Aber der Windpark war erst der Anfang. Denn die Friesen Elektra Green Energy AG, die innerhalb der Unternehmensgruppe der Familie Wedel für diesen Geschäftsbereich zuständig ist, hat früh auf eine Kombination verschiedener Stromerzeugungsverfahren gesetzt und den Boden unter den acht Windturbinen mit Photovoltaik-Modulen bestückt. So wurde aus dem Windpark ein hybrider Energiepark, der die vorhandene Fläche bestmöglich nutzt.
Der größte Solarpark in Niedersachsen
Die Dimensionen sind beachtlich. Insgesamt mussten für die Installation allein im ersten Bauabschnitt mehr als 31.000 Stahlpfosten im Boden verankert werden, die annähernd 150.000 Solarmodule tragen. Damit ist der Energiepark Sande zugleich Niedersachsens größte Photovoltaik-Freiflächenanlage. Im zweiten Bauabschnitt kommen nach Angaben von Friesen Elektra rund 14.000 Stahlpfosten und etwa 50.000 Module hinzu.
Geschäftsführer Maximilian von Wedel: „Derzeit hat unser Energiepark inklusive der noch zu bebauenden Parzellen eine Gesamtfläche von rund 170 Hektar. Die Solar-Module und Windturbinen, die hier stehen, erzeugen jährlich ungefähr 168 Millionen Kilowattstunden grünen Strom.“
„Dieser hybride Energiepark ist ein Paradebeispiel für innovative Energiekonzepte“
Olaf Lies, Wirtschaftsminister des Landes Niedersachsen
Das entspricht etwa der Strommenge, die das Hamburger Müllheizkraftwerk Rugenberger Damm pro Jahr liefert. Anders als dieses verursacht der Energiepark Sande nach seiner Fertigstellung jedoch keine umweltschädlichen Emissionen.
Lob und Anerkennung vom Wirtschaftsminister
Kein Wunder also, dass der privatwirtschaftlich betriebene Energiepark auch in der Politik gut ankommt. Niedersachsens Wirtschaftsminister Olaf Lies lobte das Projekt bei der Einweihung Ende August 2024 als „Paradebeispiel für innovative Energiekonzepte und lokale Partnerschaften“ und sagte: „Die Umstellung auf erneuerbare Energien bietet gerade für Niedersachsen erhebliche wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Chancen. Je mehr wir an erneuerbaren Energien selbst erzeugen, desto unabhängiger werden wir von Importen aus kritischen Regionen der Welt. Dafür brauchen wir beispielhafte Projekte wie dieses, die die Positionierung Niedersachsens sichtbar machen.“
80.000 Tonnen grüner Wasserstoff pro Jahr
Beispielhaft ist der Hybride Energiepark Sande auch deshalb, weil Friesen Elektra hier künftig in großem Maßstab Wasserstoff produzieren will. Und diese Pläne sind tatsächlich ambitioniert.
Max von Wedel: „Gemeinsam mit verschiedenen Partnern, darunter der deutsche Energiekonzern RWE, der niederländische Stromnetzbetreiber Tennet und die dänische Investmentfirma Copenhagen Infrastructure Partners (CIP), wollen wir künftig in industriellem Maßstab grünen Wasserstoff erzeugen. Dafür bauen wir hier in Sande einen großen Wasserstoffpark, der in der ersten Phase eine Elektrolysekapazität von 400 Megawatt haben wird und später auf 800 Megawatt erweitert werden soll.“
Geplant ist eine Gesamtkapazität von 2,4 Gigawatt, womit der Wasserstoffpark nach der Fertigstellung zu den größten Anlagen dieser Art in Deutschland zählen würde. Nach jetzigem Stand sollen zunächst rund 80.000 Tonnen Wasserstoff pro Jahr produziert werden. Der Genehmigungsprozess für das ambitionierte Vorhaben ist bereits in vollem Gange.
Genehmigungsverfahren lang und aufwendig
Max von Wedel: „Insgesamt sind drei Genehmigungsschritte zu absolvieren: der Flächennutzungsplan, der Bebauungsplan und die Baugenehmigung nach Bundesimmissionsschutzgesetz (BImSchG).“ Dennoch sind die Projektpartner zuversichtlich; sie gehen davon aus, dass der Wasserstoffpark in etwa fünf Jahren seine Produktion aufnehmen kann.
Grüner Wasserstoff für grünen Stahl
Zu den potenziellen Großabnehmern für den grünen Wasserstoff aus Sande zählt auch der niedersächsische Stahlkonzern Salzgitter, der sich bereits 2023 mit einem sogenannten Power Purchase Agreement (PPA) die Lieferung von Grünstrom aus dem Hybriden Energiepark Sande gesichert hatte. Hintergrund ist der Plan des Unternehmens, den eigenen CO2-Ausstoß deutlich zu reduzieren.
Vorstandschef Gunnar Groebler: „Die Implementierung einer nachhaltigen Stahl- und auch Energieerzeugung wird nicht nur für uns, sondern auch für unsere Zulieferer und Kunden immer wichtiger. Die Partnerschaft mit Friesen Elektra ist ein weiterer wichtiger Bestandteil unseres strategischen Weges, Stahl in Salzgitter künftig nahezu CO2-frei zu erzeugen.“ Ein weiterer Wasserstoffkunde wird der Landkreis Friesland sein, der seinen öffentlichen Personennahverkehr weitgehend emissionsfrei machen möchte und dabei unter anderem auf Wasserstoffbusse setzt.
Pipelines sorgen für den Transport
Der Transport des Wasserstoffs soll nicht mit Tanklastern geschehen, sondern mit Pipelines. Hier gibt es bereits konkrete Pläne, wie Max von Wedel erläutert: „Das Projekt HyPerLink der Gasunie Deutschland GmbH wird Sande mit einer 407 Kilometer langen Leitung mit Salzgitter, mit Hamburg und mit dem niederländischen Netz verbinden. Und das Projekt H2erkules der Open Grid Europe GmbH schafft mit 85 Kilometer Pipeline einen Anschluss an die Rhein-Ruhr-Region.“
Außerdem gibt es unweit von Sande die Kavernenanlage Etzel, die aktuell über 75 unterirdische Speicher mit einem Gesamtvolumen von etwa 46 Millionen Kubikmetern verfügt.
Weitere 24 Kavernen sind genehmigt, sodass die Anlage auf insgesamt 99 Kavernen erweitert werden kann. Zwei davon sind bereits im Testbetrieb für die Speicherung von Wasserstoff. Eine Kaverne in Etzel kann ein Volumen von bis zu 800.000 Kubikmetern haben.
Stromhandel über digitale Plattform
Die Nutzung unterirdischer Pipelines und Speicher sorgt dafür, dass auch optisch keine Beeinträchtigung von dem Wasserstoffprojekt ausgeht.
„Mit der Bereitstellung von grünem Wasserstoff unterstützen wir die Energiewende in Deutschland“
Maximilian von Wedel, CEO Friesen Elektra
Max von Wedel: „Von außen ist nicht wirklich sichtbar, dass da etwas passiert – aber wir schaffen hier eine irre Wertschöpfung für die Region.“ Zusätzlich unterstützt und berät Friesen Elektra mittelständische Betriebe aus der Region bei der Beschaffung von Strom und Gas. Dafür nutzt das Unternehmen die digitale Handelsplattform enPORTAL, auf der mittels Ausschreibungen der passende Energieanbieter für das jeweilige Unternehmen gefunden werden kann.
Niedersachsen weit vorn
- Deutschlands zweitgrößtes Bundesland ist das Land der erneuerbaren Energien. Kein anderes der 16 Bundesländer erzeugt so viel Strom aus Windenergie, Sonne und Biogas.
- Rund 60.000 regionale Arbeitsplätze sind im Zusammenhang mit dem Ausbau entstanden.
- Im Jahr 2023 wurde in Niedersachsen mit 50.800 Gigawattstunden (GWh) erstmals mehr Strom aus erneuerbaren Energien erzeugt als insgesamt im Land verbraucht (50.500 GWh).
- Seit Anfang 2025 gibt es in Niedersachsen eine Photovoltaik-Pflicht, die für alle neuen Gebäude mit einer Dachfläche ab 50 Quadratmetern gilt. Mindestens 50 Prozent dieser Fläche müssen mit einer Anlage zur Stromerzeugung belegt werden.
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Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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