Entscheidend ist, was hinten rauskommt – diese Erkenntnis von Ex-Kanzler Helmut Kohl gilt auch in der Landwirtschaft. Denn das, was bei Kühen und Schweinen hinten rauskommt, ist ein wertvoller Rohstoff für Biogasanlagen, von denen es in Deutschland mittlerweile mehr als 8.000 Stück gibt.
Eine der europaweit größten Anlagen steht im niedersächsischen Friesoythe. Hier wird in 22 runden Fermentern, die ein Volumen von rund 10.000 Kubikmetern und eine Höhe von 24 Metern haben, jährlich eine Million Tonnen Mist und Gülle zu Biomethan veredelt.
Gerührt, nicht geschüttelt – so entsteht Biogas
Damit das einwandfrei klappt, muss die Biomasse in den Behältern ständig bewegt werden, um die Bildung von Bodensatz und Schwimmdecken zu verhindern. Die Rührwerke, die diesen Job erledigen, haben ähnlich spektakuläre Dimensionen wie die ganze Anlage. Spezialrührer von fünf Meter Durchmesser sind an 22 Meter langen Wellen angebracht und das Rührwerk wiegt ohne Antrieb 7,5 Tonnen.
An Antriebe dieser Art werden hohe Anforderungen gestellt. Erwartet wird ein Maximum an Betriebssicherheit und Wartungsfreiheit, schließlich sind die Rührwerke auf dem Deckel der Tanks ständig der Witterung ausgesetzt. Außerdem muss die Konstruktion wegen des produzierten Biogases explosionsgeschützt sein.
Der Umsatz stieg auf über 1 Milliarde Euro
Daher entschieden sich die Konstrukteure der Friesoyther Anlage beim Bau der Rührwerke für Produkte des Unternehmens Getriebebau Nord, das seit 60 Jahren Antriebstechnik entwickelt, produziert und vertreibt.
„Die Nord-Gruppe hat eigene Gesellschaften in 36 Ländern“
Jörg Niermann, Marketingleiter
In dieser Zeit ist das schleswig-holsteinische Familienunternehmen, das im internationalen Business unter der Firmierung Nord Drivesystems auftritt, kontinuierlich gewachsen. Heute zählt die Gruppe zu den weltweit größten Antriebsherstellern und beschäftigt weltweit mehr als 4.800 Mitarbeiter, etwa 1.000 davon allein in China. Auch der Umsatz ist von Jahr zu Jahr gestiegen, mittlerweile liegt er bei über 1 Milliarde Euro.
Marketing-Leiter Jörg Niermann: „Die Nord-Gruppe hat eigene Gesellschaften in 36 Ländern mit insgesamt 48 Tochtergesellschaften und weiteren Vertriebspartnern in über 50 Ländern. Wir liefern als Systemanbieter innovativer Antriebslösungen mit Kompetenz in mehr als 100 Branchen flexiblen Service von höchster Qualität.“
Zwei Gründer, die sich optimal ergänzen
Gegründet wurde das Unternehmen von Gustav Adolf Küchenmeister und Günter Schlicht, die zuvor beide schon in der Antriebsbranche tätig waren. Die Gründer ergänzten sich perfekt, Küchenmeister brachte Vertriebserfahrung ein, Schlicht die technische Expertise.
Anfangs produzierte der Betrieb nur Getriebegehäuse, Flansche und Wellen selbst, die übrigen Komponenten wurden zugekauft. Im Jahr 1977 kam eine Zahnradfertigung in Glinde hinzu, später wurde das Getriebesortiment ausgebaut. 1979 folgte die Gründung der ersten Auslandsgesellschaft.
In den 90er Jahren übernahmen die Kinder von Gustav Adolf Küchenmeister – seine Tochter Jutta Humbert und ihr Bruder Ullrich Küchenmeister – eine aktive Rolle in der Geschäftsführung, Günter Schlicht schied einige Zeit später altersbedingt aus der Leitung aus. 2020 trat auch Jutta Humberts Tochter Carolin von Rönne in das Unternehmen ein. Sie ist als Leiterin für Prozess- und Organisationsentwicklung sowie für den Bereich CSR (Corporate Social Responsibility) bei Nord verantwortlich, also für alles, was mit Nachhaltigkeit zu tun hat.
Nachhaltigkeit ist für die Antriebsspezialisten kein schicker Marketingbegriff, sondern ein entscheidendes Element der Firmenphilosophie. Jörg Niermann: „Wir haben eine umfassende Nachhaltigkeitsstrategie erarbeitet, die sich auf zentrale Handlungsfelder wie etwa Energieeffizienz und Umwelt erstreckt. Sie stellt sicher, dass wir sozial, wirtschaftlich und ökologisch verantwortlich handeln.“
Ein Solarkraftwerk mit 19,9 Megawatt
Kein Zufall also, dass auch das spektakuläre Turm-Solarkraftwerk Gemasolar in Südspanien mit Antrieben aus Bargteheide ausgestattet wurde. Die Anlage hat eine Fläche von rund 185 Hektar, eine Leistung von 19,9 Megawatt und arbeitet mit 2.650 drehbaren Spiegeln, die mithilfe der norddeutschen Getriebemotoren stets so gedreht werden, dass sie die Sonnenstrahlen auf die Spitze des Turms reflektieren. Die so entstehende Wärme wird zur Stromerzeugung genutzt.
Auch die Gebäude von Getriebebau Nord selbst sind mit PV-Modulen bestückt, die so viel Strom liefern, dass damit ein großer Teil des Eigenbedarfs gedeckt wird.
Informationen zum Carbon Footprint
Ein ökologischer Vorreiter ist das Unternehmen auch in anderer Hinsicht: Auf Wunsch erhalten die Kunden konkrete Angaben zum Product Carbon Footprint (PCF). Dieser Wert erfasst alle Treibhausgasemissionen in CO2-Äquivalenten, die von der Rohstoffgewinnung bis zum fertigen Produkt am Werktor des Herstellers entstehen.
Marketingchef Niermann: „Das finden wir sinnvoll, denn der Kunde soll ja die Chance haben, sich über solche Details zu informieren. Umgekehrt ist es ähnlich – wir nehmen das Thema Lieferkettenkontrolle sehr ernst und sehen es nicht nur als lästige Pflichtübung, sondern als Verpflichtung.“
„Getriebebau Nord hat in 60 Jahren Großartiges geleistet“
Daniel Günther, Ministerpräsident von Schleswig-Holstein
Großes Bauvorhaben am Standort Aurich
Dass dabei die aktive Weiterentwicklung des eigenen Geschäfts nicht zu kurz kommt, zeigen die jüngsten Investitionen des Unternehmens. Derzeit beispielsweise erweitert der Antriebsspezialist die Produktionskapazitäten seines ostfriesischen Standorts Aurich, wo bereits seit den 80er Jahren elektronische Antriebskomponenten produziert werden. Hier entsteht neben dem Fertigungswerk ein Neubau, der eine zusätzliche Grundfläche von 5.000 Quadratmetern schafft.
Dieses Vorhaben illustriert die hohe Fertigungstiefe, mit der die Nord-Gruppe arbeitet. Jörg Niermann: „Wir haben ein weltweites Netz eigener Fertigungsstätten für alle Antriebskomponenten. Ob Zahnräder, Wellen, Gehäuse, Motoren oder Antriebselektronik – alle Komponenten werden in jedem unserer Werke mit höchster Zuverlässigkeit und Flexibilität gefertigt. So bieten wir unseren Kunden weltweit die bestmögliche Qualität, unabhängig von Standort und Rahmenbedingungen.“
Jubiläumsfest mit dem Ministerpräsidenten
Wer so hart arbeitet, sollte auch ordentlich feiern, wenn es mal den passenden Anlass gibt. Mit dem 60. Firmengeburtstag vor einigen Wochen war es so weit: Das Unternehmen veranstaltete ein großes Sommerfest für die Belegschaft und einige Tage später einen Festakt für Partner und Kunden, an dem auch Ministerpräsident Daniel Günther teilnahm. Er würdigte in seiner Ansprache die Leistungen des Unternehmens, das heute zu den wichtigsten Ausbildungsbetrieben und Arbeitgebern in seiner Region zählt.
Aktueller Blick in norddeutsche Betriebe
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Der gebürtige Westfale ist seit über 35 Jahren im Medienbereich tätig. Er studierte Geschichte und Holzwirtschaft und volontierte nach dem Diplom bei der „Hamburger Morgenpost“. Danach arbeitete er unter anderem bei n-tv und „manager magazin online“. Vor dem Wechsel zu aktiv im Norden leitete er die Redaktion des Fachmagazins „Druck & Medien“. Wenn er nicht in den fünf norddeutschen Bundesländern unterwegs ist, trainiert er für seinen dritten New-York-Marathon.
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