Es ist etwas ins Rutschen gekommen in Deutschland: Protestierende Landwirte, demonstrierende „Klimaaktive“ und immer wieder streikendes Personal im Bahn- und Flugverkehr – landesweit hat sich einiger Unmut zusammengebraut. Schlimmer finde ich aber: Die verschiedenen Formen vermischen sich zu einem gefährlichen Cocktail, der unsere Fähigkeit, Konflikte zu lösen, grundsätzlich infrage stellen könnte.

Grenzen zur Nötigung nicht überschreiten

Schon die Wortwahl macht den Unterschied, gerade in der Berichterstattung der Medien: Demonstrationen müssen angemeldet sein, und die Grenzen der Versammlungsfreiheit müssen eingehalten werden. Und sie dürfen die Grenzen zur Nötigung nicht überschreiten – egal, ob Menschen sich auf Straßen festkleben oder Mistladungen auf Autobahnen kippen.

Streiks jedoch sind aus guten Gründen allein den Sozialpartnern vorbehalten. Wie die Versammlungsfreiheit vom Grundgesetz geschützt, genießen sie den weitesten Spielraum – deshalb muss auch besonders verantwortlich mit ihnen umgegangen werden. Das Streikrecht wird jedoch von der Rechtsprechung zunehmend ausgehöhlt. So ist das Kriterium der Verhältnismäßigkeit nach der Fortentwicklung durch das Bundesarbeitsgericht keine ernsthafte Streikbremse mehr; ebenso sind Solidaritätsstreiks völlig unbeteiligter Arbeitnehmer inzwischen für zulässig erklärt worden.

Nun verwischen die Grenzen des Zulässigen sich weiter: Plötzlich entsteht durch die Verquickung des Tarifkonflikts mit den Anliegen von Klimaaktivisten ein politischer Streik, der hierzulande aus guten Gründen verboten ist. Die Eisenbahn sei kein zuverlässiges Verkehrsmittel mehr, frohlockte GDL-Chef Claus Weselsky jüngst mit Blick auf die nächste Streikwelle. In der Tat: So weit ist es schon gekommen. Ein Armutszeugnis: für die Bahn, die Gewerkschaft und den Klimaschutz.

Ziel sollte stets eine tragfähige Lösung sein

Nordmetall und die IG Metall Küste jedoch haben mit ihrem gemeinsamen Eintreten gegen Ausgrenzung und für Vielfalt und Akzeptanz gerade einen deutlichen Schulterschluss gezeigt. Ich setze darauf, dass die Sozialpartner der M+E-Industrie auch bei der Tarifrunde im Herbst diesen Geist der Verantwortung weiterleben. Hart in der Sache verhandeln, miteinander ringen, aber dann den Streit beenden und eine gute Lösung finden – das ist die beste Garantie für den Industriestandort Norddeutschland.

Nico Fickinger ist Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord, die aktiv im Norden möglich machen. Diskutieren Sie mit ihm: nordwort@aktivimnorden.de

Podcast-Tipp

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